Halle trotzt den Fluten

Angesichts der Lage – der Stadtteil Halles, in dem ich wohne, droht, im Wasser zu versinken – hätte mir der minutenlange schrille Ton, den das Kratzen der Schaufeln auf dem Asphalt – der Sand ist aufgebraucht und Nachschub nicht in Sicht – verursachte, Angst machen bzw. Unbehagen bereiten müssen. Komischer hörte es sich an, als ob alle versuchten, den Obern ihre Teller so sauber wie möglich zu übergeben. Das Essen ist also vorzüglich gewesen. (Leider gilt das Ablecken des Tellers im Restaurant immer noch als unstatthaft. Für mich ist das eine Verschwendung von Ressourcen. Zu Hause sollte man seiner Zunge diese Wohltat gönnen.) Willkommen im Land der Frühaufsteher, das sich zur Zeit den Namen „Land unter“ geben könnte. Bliebe es beim „unter“, wären alle sehr zufrieden. Die Stimmung, die beim Abfüllen herrschte, hat jedenfalls keine Zweifel aufkommen lassen – der Damm wird nicht brechen. Dafür haben die jungen Leuten, die die Mehrheit bildeten, gesorgt. Sie ließen keinen Pessimismus aufkommen. Richtig erfrischend fand ich das. Meine Generation, 40plus, hätte nicht so gute Laune versprüht. Vermutlich lag es auch daran, dass alles „jugendgerecht“ organisiert (viele Ältere würden das als anarchistisch bezeichnen) – niemand sagte einem, was er zu tun hatte, jeder musste seinen Platz selbst finden. Die Auswahl war zwar begrenzt – entweder schaufeln, Säcke aufhalten und verschnüren oder diese zum Nebenmann weiterleiten –, nichtsdestoweniger hatte ich den Eindruck, dass sich jeder mit dem Job, den er wählte, anfreundete. Ob sich das nur mit der Gefahrensituation erklären lässt, weiß ich nicht. Ich hatte eher das Gefühl, einer der vielen „New Yorker Communities“, die sich das Ziel gesetzt haben, aus einer Brache einen Garten zu machen, anzugehören. Dank deren Hilfe (natürlich sind noch viele andere an der Sicherung der Deiche beteiligt) sieht es für Halle gut aus, einigermaßen ungeschoren davonzukommen.

Die gestrige Hiobsbotschaft, der Damm würde nicht halten, hielt mich davon ab, den Text ins Netz zu stellen. Trotz der Aufforderung des Bürgermeisters an jene, die nahe der Saale wohnen, ihre Wohnungen zu verlassen – von 30.000 Menschen seien nur wenige seinem Rat gefolgt – bin ich optimistisch, dass sich die Mühe gelohnt hat (ich hoffe, dass deren Instinkt – viele leben schon sehr lange dort – sie nicht trügt).

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