Es wird wärmer

Im letzten Moment habe ich gerade noch so der Versuchung widerstanden, auch an diesem Karfreitag über jemanden, der George heißt (womöglich mag sich der eine oder andere daran erinnern, dass ich George Clooney letztes Jahr zu Ostern fälschlicherweise in Halberstadt wähnte), zu schreiben – die Frage, ob jene Ernährungsexperten, die fordern, Babys dürfen kein Gramm zu viel haben, sich nicht trauen, William und Kate wegen ihres Sohnes, der gar nicht deren Idealbild entsprecht, zu kritisieren, hätte im Mittelpunkt gestanden. Genießen die Eltern einen Adelsbonus? Dürfen nur Prinzen Babyspeck haben? Auch hätte ich versucht, zu beantworten, ob Williams noch schwülstiger als sein Vater redet. Vieles deutet nämlich darauf hin.

Die Chance, als Fußnote in eine Chronik einzugehen, die, wenn nichts Außergewöhnliches mehr passiert, nichts Gutes verheißt, ist dann doch verlockender. Als mir meine Eltern vor zwei Tagen sagten, die ersten Kartoffel-Pflänzchen seien zu sehen, ahnte ich nicht, welche Folgen diese Information haben kann. Heute früh wurde mir dann klar, dass ich in die Geschichte eingehen könnte, wenn ich darüber schreiben würde – wenn Menschen in 100 Jahren in der Nähe der Pole auf die Idee kommen, akribisch aufzuzeichnen, wie es zur Klimakatastrophe kam, die sie gezwungen hat, alle Landmassen, die zwischen den beiden liegen, aufzugeben, haben sie die Möglichkeit, auf meine Kolumne zurückzugreifen (sofern nicht Kleingeister, die darüber entscheiden, was Speicherns wert ist, zum Entschluss kommen, die Artikel meines Blogs würden zu belanglos sein, aufbewahrt zu werden – siehe Emmerichs 2012). Vom wem sonst sollen sie erfahren, dass im Jahre 2014 grüne Kartoffeln bereits vor Ostern auszumachen war? Zu einer Zeit, in der früher die Pflanzen noch nicht einmal gesteckt wurden. (Bitte nicht wegklicken. Ich habe nicht die Absicht, Sie zu belehren. Oder gar zu fordern, Sie sollen auf das Auto verzichten. Ich versuche nur, mir zwei oder drei Zeilen in oben erwähnter Chronik zu sichern. Vielen Dank!)

Natürlich wäre es schön, könnte ich die immensen Fortschritte, die die Kartoffeln innerhalb dreier Wochen gemacht haben, beweisen. Leider gehören ich zu den wenigen, die das Fotografieren für eine unnütze Beschäftigung halten. Bedauerlicherweise ist Google noch nicht in der Lage, jede Woche ein neues Satellitenbild vom Garten ins Netz zu stellen. Eine der Folgen, die dieser Service mit sich bringen würde, wäre, dass man nicht mehr Interesse am Garten des Nachbarn zu heucheln bräuchte – wozu miteinander reden, wenn ich im Internet sehen kann, was auf der Parzelle nebenan wächst? Für Kleingärtner (fast ausnahmslos Frauen), die von Garten zu Garten hecheln, um zu schauen, was die anderen machen, würden schwere Zeiten anbrechen. Die kriegten an den Knopf geknallt, doch gefälligst bei Google zu schauen, wie es hier aussehe. Und ist es nicht schön, im Internet zu überprüfen, ob jemand seine Ernteergebnisse entschieden zu hoch angegeben hat? Völlig neue Möglichkeiten tun sich da auf. Ich könnte mir Foren, in denen Gartenbaufreunde diskutieren, wo was angebaut werden soll, vorstellen. Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten. Wer glaubt, Gartenfreunde würden nicht mehr lernfähig sein (in der Regel sind sie schon etwas bejahrt), irrt sich gewaltig. Mit dem Klimawandel kommen sie jedenfalls ganz gut zurecht – die meisten hatten die Kartoffeln schon Ende März drin. Alle fanden es völlig selbstverständlich, so früh zu stecken. Obwohl ich daran dachte, dass es nicht normal sei, in dieser Zeit zu pflanzen, machte sich kein mulmiges Gefühl bei der Arbeit breit. Selbst Gewissensbisse habe ich nicht gehabt. Mich schaudert es beim Gedanken, Freude darüber zu empfinden, im Januar Kirschen und im Februar Tomaten ernten zu können. Was für ein Alptraum. Ob andere das auch so sehen, wage ich zu bezweifeln. Ich glaube, der typischer Kleingärtner freut sich, zweimal im Jahr ernten zu dürfen. Die Ernte geht ihnen über alles.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert