Ein Streit auf höherem Niveau – lustiger ist dieser deshalb nicht

Liegen Jubiläen an, ist es bisher so gewesen, dass Persönlichkeiten, deren Geburts- und Todestage hinten zwei Nullen aufweisen, ausgiebigst gefeiert werden, was sich darin zeigt, dass nicht mehr nur am betreffenden Tag, sondern das ganze Jahr hinweg der Person gedacht wird, wir darum auch nicht das Jahr 2012 schreiben, sondern uns im Friedrich-Jahr befinden. Ähnlich läuft es bei wichtigen runden Ereignissen, wobei ich vermute, dass wir viele nur begehen, weil wir glauben, mit denen habe sich alles schlagartig verändert. Liegt ein Event fast 500 Jahre zurück, ist es urchaus gerechtfertigt, schon jetzt die Werbetrommel zu rühren, zumal wenn dieser sich in einem Gebiet abspielte, in dem jene Organisation, die ihn begeht, nur noch wenige Anhänger hat, somit das fünfjährige Reinfeiern ins Thesen-Jahr durchaus auch als evangelische Reconquista gewertet werden kann.

Spätestens seit gestern weiß ich, dass es möglich ist, durch eigenes Zutun an ein Geschehen, das vor geraumer Zeit stattfand, konkret vor 10 Jahren, zu erinnern. 2002 gab es nämlich den „Zickenkrieg“ (Freisinger gegen Pechstein), der beiden viel Aufmerksamkeit und dem Fernsehen (Winterolympiade in Salt Lake City) hohe Einschaltquoten brachte. Pünktlich zum Jubiläum hat Frau Höhler einen neuen Krieg entfacht – diesmal unter Frauen und auf weit höherem Niveau. Gegen keine Geringere als Frau Merkel zieht sie zu Felde – ihre Meinung nach würde die Kanzlerin ihre Macht nutzen, um die Demokratie zu unterhöhlen. Natürlich mache sie das so, dass niemand etwas mitbekomme bzw. wir uns daran gewöhnen würden, immer weniger Einfluss nehmen zu können. Wenn Prominente, die links stehen, nicht schon Ähnliches verlautbart hätten, wäre einem Zyniker am Ende der Gesprächsrunde gestern bei Jauch für seine Bemerkung, wie gut, dass wir sie haben, Anerkennung gezollt worden. So aber blieb der Eindruck, etwas müsse an ihrem Vorwurf, die eigenen Abgeordneten würden gezwungen, für ihre Vorschläge zu stimmen, dran sein. Zudem gebe es keine kritische Diskussion in der CDU, außerdem würde sie die Problem nicht ansprechen sowie den Bürgern sagen, was sie zu beabsichtigen gedenke bzw. welche Ziele sie habe. Summa summarum – Frau Merkel betreibe TINA-Politik (there is no alternative).

Der Grund, warum über Frau Höhlers Thesen ausgiebig diskutiert wurde, liegt nicht in deren Brisanz, sondern weil sich die CDU auf das Gespräch einließ. Darum hätte Frau Merkel selbst erscheinen müssen. Statt ihrer kam Frau von der Leyen, deren Anwesenheit zur Verteidigung Merkels Jauch geschickt mit der Frage begründete, wie sie (Höhler) dazu komme, von der Leyen im Buch als „verkappte Sozialdemokratin“ zu bezeichnen. Während im Krieg von 2002 die beide Kontrahenten freudig verbal auf einander einschlugen, wird Merkel einen Sitzkrieg (Phoney War, Drôle de guerre – in diesem Blog schon mal erwähnt) führen. Lothar de Maizière wäre in meiner Gunst noch gestiegen, hätte er Frau Höhler gefragt, an welches der beiden Anderlands sie dachte, als ihr der Gedanke kam, Merkel als „Fremde aus Anderland“ zu bezeichnen (es gibt eines für Kinder und eines für Erwachsene). Übrigens können sich die Leute von Kulturzeit nun denken, warum Frau Höhler ihre Fragen nicht beantworten wollte.

Mein Fazit: Es werden keine Fetzen fliegen. Wir müssen uns also noch weitere 10 Jahre gedulden. Da gibt es wenigstens wieder Olympische Winterspiele, vermutlich aber ohne die beiden (Pechstein würde ich eine Teilnahme zutrauen). Sollten beide als Expertinnen im Fernsehen auftreten, sehe ich gute Chancen, den Streit wieder aufleben zu lassen.
Zum Glück hat der Independent einen Cartoon, der zum Thema passt, parat.

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