So euphorisch wie bei der WM 2006, als selbst ein Reporter des Deutschlandfunks den Schlachtruf „Es geht los“ intonierte, schien die Stimmung bei der Berlinale, deren Eröffnung 3Sat live übertrug, nicht gewesen zu sein, nichtsdestoweniger war allen, die vor dem Beginn der Veranstaltung interviewt worden, die Freude darüber, dabei sein zu dürfen, anzumerken. Regelmäßige Seher wissen, dass die Interviews das beste an der Sendung sind. Das war gestern nicht anders. Ich habe fast den Eindruck, als ob die Macher alles daran setzen, den Festakt nach dem Motto, es könne nur besser werden, zu gestalten. Und mit Kosslick hat der Veranstalter einen Mann, dem alles – sein Auftritt mit Anke Engelkes war wirklich nicht berauschend – verziehen wird, denn selbst nach dieser fragwürdigen Vorstellung bekam er tosenden Beifall, als er auf die Bühne gebeten wurde. Würde man ihm erlauben, vier mal – so vieler Sendungen bedarf es, bis sich die Zuschauer an ihn gewöhnt haben – Wetten, dass..? zu moderieren, wäre er für viele der ideale Nachfolger für Gottschalk. Weitaus schlimmer aber fand ich, dass der Kulturstaatsminister zuerst die anwesenden Bundestagsabgeordneten begrüßte. In diesem Moment fragte ich mich, ob er nicht wisse, bei welcher Veranstaltung er sei, und ob er seine Kollegen für wichtiger als die Filmleute halten könnte. Bei der Beantwortung der letzten Frage bin ich mir bis jetzt noch unschlüssig. Wowereit sprach natürlich auch. Seine Bemerkung, dass kein anderes Festival mehr Zuschauer hätte, kann jeder, der mal auf der Webseite des Filmfestivals gesurft hat, bestätigen – Informationen über die Kinos lassen sich schnell finden, jedoch bedarf es eine geraume Zeit, herauszufinden, welche Filme im Hauptwettbewerb starten. Das Festival ist eben ein Event, wo die Zuschauer, trotz aller Rufe, es würde an Stars mangeln, im Vordergrund stehen. Da passt es, mit einem opulenten Film über Marie Antionette, der dem Coppolas zu ähneln scheint, aufzumachen. Aber während sich über ihre Antoinette Frankreich noch aufgeregt hat, ist nun jede Kritik an der Glorifizierung einer Frau verstummt, von der bis vor kurzem noch verbürgt war, sie habe auf die Frage, dass ihre Untertanen kein Brot hätten, geantwortet, dass man ihnen Kuchen geben möge. Die Erkenntnis, dass sie das nie sagte, hat sie gleich zu einem besseren Menschen bzw. zu einer Person, deren Leben verfilmt werden kann, gemacht. Nicht-Berliner profitieren seit geraumer Zeit auch vom Festival – 3Sat richtet sein Programm ganz auf die Berlinale aus. In diesem Jahr hat sich der Sender entschlossen, neben den dort preisgekrönten Filmen noch Streifen, die zu den besten, die je in den Studios in Babelsberg gedreht wurden, zu zeigen. Gestern ging es, unverständlicherweise, mit Metropolis los. Die restaurierte Originalversion lief schon vor 2 Jahren, damals auch gleich am Eröffnungsabend des Festivals. Der heutige Film „Spur der Steine“ sagt mir ebenfalls nicht sehr zu. Filme, deren Kultstatus hauptsächlich darauf beruht, dass sie nicht gezeigt werden durften, sind mir nicht ganz geheuer. Die Leute, die ihn sehen konnten, waren begeistert, ich, der in 60ern geboren wurde, kann aber mit der Handlung überhaupt nichts anfangen – so spießig, wie sie dort dargestellt werden, fand ich die Verhältnisse nicht. Im Stück verliert ein Bauingenieur seinen Job, weil er ein uneheliches Verhältnis mit einer Arbeitskollegin, die von ihm auch noch ein Kind erwartet, hat. Aus der Partei wird er deswegen auch noch ausgeschlossen. Ich weiß nicht, ob es in dieser Zeit Usus war, den Leuten derartig unsinnige Strafen aufzuerlegen. Im Netz konnte ich jedenfalls nichts darüber finden. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren. Dumm von den SED-Oberen, den Film abzusetzen. Mir ist auch rätselhaft, wie Neutsch, auf dessen Roman der Film basiert, 500 000 Exemplare des gleichnamigen Buchs verkaufen konnte. Den „Roche-Effekt“ (Feuchtgebiete) muss es schon weit früher gegeben haben, nur zeigte es sich damals kultivierter, hatte aber die gleiche Wirkung. Es standen so viel gute Filme zur Auswahl – u. a. „Der Untertan“, „Der kleine Muck“, „Die Mörder sind unter uns“. Die Reihe ließ sich ohne weiteres fortsetzen. Morgen bringen sie wenigstens etwas Interessantes – „Der blaue Engel“ steht auf dem Programm.
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