Wer riskiert, Löw zu chauffieren?

Reicht das, um Weltmeister zu werden? Italien brauchte, um 2006 in Deutschland den Titel zu holen, den schlimmsten Skandal, den es je im ohnehin Affären gebeutelten Profifußball gegeben hat. Im Mai wurde bekannt, dass Juve sich darauf verstand, Verbandsverantwortliche davon zu überzeugen, für Spiele der eigenen Mannschaft Schiedsrichter, die der alten Dame wohlgesonnen waren, einzusetzen. Das kostete dem Klub zwei Meisterschaften. Obendrein musste der Verein noch in die Serie B. Von derartigen Machenschaften kann der deutsche Fußball heuer nur träumen. Da aber Kleinvieh auch Mist macht, sind dank etlicher Ungereimtheiten während der Vorbereitung die Chancen der Deutschen besser denn je. Bisher hat Löw die Strategie verfolgt, jedweder Aufregung vom Team fernzuhalten. Damit ist jetzt endgültig Schluss. Indem er außergewöhnlich viele Spieler, die verletzt sind, mit nach Brasilien nimmt, hat er sichergestellt, dass im Falle einer Niederlage im ersten Spiel gegen Portugal die Medien über ihn herfallen werden. Es kann dann nur noch besser werden. Das wird es, was die Resultate angeht, dann auch. Am Ende stehen die Deutschen im Finale. Und niemand weiß, wie sie das geschafft haben.

Auf die heutige Schlagzeile hätten alle verzichten können – beim Drehen eines Werbespots der Nationalmannschaft (ausgerechnet mit zwei Schalkern) im Hochgebirge ist ein deutscher Rentner trotz Absperrung schwer verletzt worden. Zudem kam heute heraus, dass Löw seine Fahrerlaubnis abgeben musste. Er hat es geschafft, 18 Punkte zu sammeln. Die Zeit schreibt, wir wüssten nun, dass Jogi ein Mensch sei. Der Spiegel glaubt, er habe keine Vorbildfunktion (es gibt auch einen guten Beitrag). Natürlich haben die Autoren unrecht – ab heute verehren die Spieler Löw, ab heute ist er für sie ein Gott. Profis schätzen nur Leute, die besser als sie gewesen sind. Und Leute, die selbst entscheiden, wo sie rasen. Der echte Asphaltcowboy lässt sich nicht vorschreiben, wie schnell er zu fahren hat. Das entscheidet er ganz alleine.

Sechs Monate darf er nicht mehr fahren. Vermutlich wird er nun gefahren werden. Ich kann mir vorstellen, dass viele Jogi chauffieren wollen. Erst recht, wenn seine Mannschaft Weltmeister werden würde. In der Euphorie macht man oft Sachen, die man später bereut. Da der Mann jemanden sucht, der genauso rasant wie er unterwegs ist, muss jeder Bewerber nach dem Vorstellungsgespräch in der Lage sein, zu berechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, in dem halben Jahr ebenfalls auf 18 Punkte zu kommen. (Wer glaubt, er könne sich an die Straßenverkehrsordnung halten, irrt sich gewaltig. Der Mann gibt erst Ruhe, wenn man dessen Auto wie er zu steuern gedenkt.) Ist die recht hoch, wäre es angebracht, zu vereinbaren, dass Löw bei einem Entzug das volle Gehalt überweist. Aufzuführen, dass Löw die Kosten für den Idiotentest trägt, würde ich auch für sinnvoll halten.

Seit gestern weiß ich, dass eine Wahl dazu da sein kann, sich beim Volk die Erlaubnis zu holen, Krieg gegen Bürger des eigenen Landes zu führen. Und mangels Alternativen – fast alle Kandidaten wollen, dass der Aufstand im Osten niedergeschlagen wird – kann niemand der Wähler, knapp über 50 Prozent der Wahlberechtigten, sagen, ihn würde das brutale (und barbarische) Vorgehen Poroschenkos, der selbst gerade einmal 30 Prozent der Abstimmungsberechtigten hinter sich weiß, im Donbass überraschen. Vermutlich hatten viele die Hoffnung, dass er klüger und geschickter vorgehen würde, bspw. indem er mit den Gegnern verhandelt bzw. diesen vielversprechende Angebote macht. Das ist aber nicht der Stil eines Oligarchen. Der nimmt sich, was er haben kann. Das haben sie immer gemacht. Das werden sie auch weiter handhaben. Darwinismus pur nennt man das wohl. Diese Leute verhandeln erst, wenn sie zur Überzeugung gekommen sind, dass sie ihren Willen nicht durchsetzen können. Sollte dieser Punkt kommen (im Augenblick sieht es danach aus, als könne Kiew die Aufständischen besiegen), dürfte es für Verhandlungen zu spät sein.

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Eine Antwort zu Wer riskiert, Löw zu chauffieren?

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