Vom Hin- und Wegschauen („Gone Girl“ und Werbefilm über Halle)

Danke Helmut, danke, dass Du geschrieben hast, Frau Merkel habe am Anfang ihre Karriere nicht mit Messer und Gabel umzugehen gewusst. Es kam zu rechten Zeit, denn ohne dessen Worte hätte ich die Hoffnung, dass die heutigen Männer genauso gut wie Frauen schauspielern können, fürs erste aufgegeben. Wenn ich mir aber in Erinnerung rufe, wie einfach die Besteckregeln sind, kommen jedoch die Zweifel wieder auf, jedoch bleibt mir mangels einer Alternative nichts weiter übrig, als jedem, der glaubt, die Art und Weise, wie die Frauen in „Gone Girl“ die Männer an die Wand gespielt haben, berechtigt zur Sorge, den Rat zu geben, an Frau Merkel zu denken. Es hilft ungemein. Ein „Triummaterat“, das Regisseur Fencher (ein Mann) nach dem Motto „Getrennt marschieren, vereint schlagen!“ agieren lässt, beherrscht das Geschehen nach Belieben. Dem armen Ben Affleck bleibt nur, sich von ihnen 149 Minuten über die Leinwand hetzen zu lassen. Vermutlich ist das auch gut so, denn hätte er die Gerissenheit, Schläue, Verwandlungsfähigkeit und Skrupellosigkeit Robert Mitchums in „Die Nacht der Jägers“, wäre nach gut 90 Minuten Schluss, was jammerschade wäre.

Zum Glück haben sich die Frauen emanzipiert – statt Affleck muss eben dessen Frau Rosemund Pike die Rolle des Jägers übernehmen. Und das macht sie so brillant, dass ich immer gehofft habe, ihr möge nichts zustoßen. Schon des Plans, den sie akribisch ausgearbeitet und perfekt umgesetzt hat, wegen (sie kann auch improvisieren). Und natürlich wegen ihrer Begabung, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. (Zum Schluss doubelt sie gar Ingrid Bergmann). Nicht minder gut ist Kim Dickens, die der Regisseur auserkoren hat, Licht ins Dunkel zu bringen. Die Frau, die ohne einen Kaffeepappbecher in der Hand nicht ermitteln kann. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das ständigen Halten eines Bechers während der Ermittlungen gleich 3 Punkte auf der offenen Autoritätsskala, auf der 9,0 der höchst Wert ist, der je gemessen wurde, einbringen kann. Ich habe eine 8.9 gemessen. Sollte sie irgendwann einmal für den Tatort ermitteln, würde ich den wieder gucken. Die dritte im Bunde ist Carrie Coon, die Afflecks Zwillingsschwester, die mit ihrem Bruder außer der Haarfarbe nichts gemein hat, ihn aber dennoch unterstützt, spielt. Von den drei Frauen ist sie die emotionalste – sie darf derb fluchen, furios schimpfen und hemmungslos weinen. Dieses Trio nimmt Affleck also in Gefangenschaft. Und dann ist da noch seine Schwiegermutter, die der Regisseur im Bewusstsein, dass vier Frauen des Guten zu viel wären, aber an der kurzen Leine hält. (Er hat nicht gewollt, dass sich Affleck am Ende der Dreharbeiten in eine Klinik, die darauf spezialisiert ist, Menschen wieder Selbstbewusstsein zu geben, eincheckt).
Ein Film, bei dem man nur in der Spätvorstellung – um zu wissen, ob man noch die letzte Bahn oder den letzten Bus schafft – auf die Uhr schaut

Auf die Uhr werden viele, die bei der Expo Real Halles Werbefilm sehen, auch schauen – aber nur, um zu wissen, wann dieser endlich vorbei ist. So schön wie jene vor den Bildschirmen, die dank Youtube wissen, wie lang er ist (3.32 min), haben die es nicht. Warum nur die Obsession mit vierspurigen Straßen? Dass vor 25 Jahren viele glaubten, im Osten würde es keine geben, kann ich ja verstehen. In unserer heutigen Zeit gleich zu Beginn den Eindruck zu vermitteln, diese würden Fortschritt bedeuten, ist schlicht töricht. (Da im nächsten Jahr in der Altstadt geschätzte 200 – 300 Meter hinzukommen sollen, erweckt den Eindruck, dass die hiesigen Stadtplaner wirklich glauben, sie könnten das Verkehrsproblem mit breiteren Straßen lösen.) Warum wirbt man nicht mit dem Slogan, dass dank eines Zentrums, das nicht autogerecht ist, es in diesem fast überall möglich ist, im Sommer bei geöffneten Fenstern zu arbeiten? Und ohne Auto mobil sein kann. Das fast autofreie Zentrum mit einem Grundriss, der sich von dem vor 100 Jahren nicht groß unterscheidet, ist das große Plus der Stadt. Leider wird das im Film nicht deutlich. Da geht es um Gewerbeparks und den Flughafen. Und eben um Straßen und Autobahnen. Damit kann fast jede Großstadt dienen.

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