Traumhochzeit in Potsdam

Dass eine Adelsdynastie, die spät zu ihrem Land kam, erst spät daraus ein Königreich machte, spät das Land als Großmacht etablierte, spät über eine Nation herrschte und spät nach der Weltherrschaft griff, die Hochzeitssaison des Hochadels beschließt, sollte niemanden verwundern – es ist gute Tradition, spät dran zu sein, auch wenn diese der Familie die Machtbasis gekostet und ihren Untertanen viel Leid und Not eingebracht hat. Alte Zöpfe lassen sich eben nicht so leicht abschneiden. Das will auch heute niemand mehr, denn in einer Zeit, in der alles alle zwei Jahre ausgetauscht wird, wird jeder, der alte Gepflogenheiten pflegt, wertgeschätzt, zumal wenn er noch zeitlosen Pomp und Glamour offerieren kann. Zweifel daran, ob aber die gestrige Hohenzollernhochzeit in Potsdam so interessant war, um darüber drei Stunden lang zu berichten, dürften aber alle, die zuschauten, gehabt haben – nur Joop, der im schicken Dandyanzug antrat, schaffte es, das Ambiente, was als Aufmarschgebiet für alle Prominenten vorgesehen war, mit einer gewissen Weltläufigkeit auszufüllen. Da aber die Männer sich nicht wie Joop und die Frauen sich nicht wie Lady Gaga kleideten, blieb dem Straßenzug, der zur Kirche, wo die Hochzeit stattfand, führt, dessen dörfischer Charakter erhalten. Die Brandenburger werden sich gefreut haben, sehen zu können, dass es in Potsdam, einer der Städte, die am meisten von der Einheit profitiert haben, immer noch Stellen gibt, die sie an ihre Wohnorte erinnern. Nichtbrandenburger, die nur wegen der Bilder geguckt haben – es soll ja auch Leute geben, die die Tour de France nur wegen der Landschaftsaufnahmen verfolgen – müssen schwer enttäuscht gewesen sein, denn von Potsdam gab es, von einer Panoramaaufnahme, die eine alte Windmühle neben Sanssouci zeigte, abgesehen, nichts zu sehen (ich muss einräumen, dass ich nur flüchtig die erste Stunde verfolgt habe). Das ist natürlich sehr bedauerlich, nutzen doch die Fernsehanstalten solche Ereignisse, um für den Ort, wo dieses stattfindet, kräftig Reklame zu machen. Und das recht erfolgreich, denn London wird aufgrund der Hochzeit im April ein Touristenboom vorhergesagt. Vermutlich hatte RBB eh nicht die Absicht gehabt, mit der Übertragung Touristen nach Potsdam zu locken. Aber warum wurde eigentlich die Hochzeit live gezeigt? Sicherlich nicht, um welche kennenzulernen, denn der Brandenburger ist, vermutlich mehr als jeder andere Ostdeutscher, ja an Adlige gewöhnt – früher mussten sie bis zum Montagabend warten, um einen im Fernsehen erleben zu können. Und der war auch noch ein ganz untypischer Blaublüter.

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