Sprelacart ist wieder en vogue

Als ich das Video zum ersten Mal sah, fragte ich mich, wo die Marketingleute Jollas den braunen Tisch, der am Beginn zu sehen ist, nur aufgetrieben haben könnten. Alleine schon den Weg in den Norden stelle ich recht abenteuerlich und turbulent vor. Dann schafft er es auch noch, in der Kälte zu überleben. Angesichts des Materials, aus dem er besteht, ließe sich dies mit einem Trabi, der selbst bei minus 30 Grad seinen Geist nicht aufgibt, vergleichen. Sprelacart ist der Stoff, aus dem er gemacht ist. Er hat dazu beigetragen hat, der DDR ihr spezifischen Aussehen, das nicht darauf hat schließen lassen, dass sie noch einen großen Bruder hat, zu geben. So wie der Trabant auch. Bis gestern habe ich ihn (ich meine den Tisch, die „Pappe“ ist leider jedoch ebenso bald dran) noch für Ausgestorben gehalten – Produkte aus besagten Material hatten das Pech, dass sich deren Besitzer nach Wende von ihnen trennten. Peu a peu flog alles, was das Gefühl vermittelte, es könne sich nur um Sprelacart handeln, in den Müll. Heute sind selbst die Spuren, die auf seine Existenz hindeuten könnten, verwischt. Die jungen Leute kennen ihn nicht. Ältere haben ihn aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

So ganz geht das aber nicht – nach mehr als 20 Jahren habe ich, als ich Jollas tolles Video sah, gewusst, dass der Tisch aus dem Osten stammen muss. Da ich nicht einmal eine Sekunde gebraucht habe, es auszumachen, wird mir der eigentümliche Belag bis zu meinem Lebensende in Erinnerung haben. Da im Alter nur noch das Langzeitgedächtnis einigermaßen gut funktioniert, hoffe ich, mich dann mit Leuten, die Sprelacart kennen, austauschen zu können. Es wäre schön, würden sich den Clip Menschen meiner Generation ansehen. Wer sich den Spot anschaut tut schon jetzt etwas für seine geistige Fitness im Alter. Das Gesehene bleibt im Gedächtnis – vorausgesetzt, man hat sich nicht an der Sprelacart-Schwemme“ gestört. Vermutlich hat dessen Allgegenwärtigkeit sogar die eine oder andere „Sprelacart-Phobie“ ausgelöst. Mir scheint es nichts ausgemacht zu haben.

Spät haben die PR-Leute das Potential des Sprelacarts als Mittel, beworbene Produkte in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, erkannt. Die Methode, einen Gegenstand kleiner (Reklame, in der die Fähigkeiten des Objekts nicht aufgebauscht werden) zu machen, ist wohl die schwierigste in der Werbung. Außerdem entsteht der Eindruck entstehen, jeder könne sich die Ware leisten. Dagegen setzt Jolla flinke Finger, die das Handy spielend einfach bedienen können. Jeder weiß, dass dieser Komfort seinen Preis hat. Die Finnen haben das wirklich toll gemacht. Es bereitet mir großen Vergnügen, zuzuschauen, wie sich die Seiten bewegen. Und ein paar originelle Gags sind auch dabei. Trotz hochwertige PR schreibt niemand über das ersten „Jolla-Handy“. Das ist wirklich sehr bedauerlich.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert