Sind wir immun gegen die Bibel?

Wer schützt uns vor der Bibel? Und vor allem – wann und wie könnte die Bibel zur Waffe werden? Hätte sich Plasberg gestern mit diesen Fragen beschäftigt, wäre uns eine weitere Episode in der Endlosdiskussion, in der es einzig und allein darum geht, Vertretern muslimischer Organisationen vorzuwerfen, sie würden nicht hart genug gegen Salafisten vorgehen, erspart geblieben. Stattdessen mussten beide Muslime beteuern, dass der Islam die toleranteste Religion, die man sich denken, ist. Der Koran habe nichts gegen Frauen und Andersgläubige. Sowie wie eben die Bibel auch. Beiden gemein ist, dass sich gegen vieles findet, wenn man nur lange sucht. Dank des Internets lassen sich Zitate, in denen bspw. über Frauen und Juden abschätzig geurteilt wird, schnell in geballter Form finden. Mit Muslimen tut sich die Bibel da schon schwerer. Wer diese als Heiden ansieht, sollte keine Probleme haben, genügend Material zu finden, um gleich morgen mit den passenden Zitaten im Kopf Muslime zu verhauen sowie den Musliminnen ihre Kopftücher und Burkas abzunehmen, um sie anschließend öffentlich wirksam und internetgerecht zu verbrennen. (Unsere Vorfahren mussten sich noch auf den beschwerlichen Weg nach Jerusalem machen, um sich mit den Anhängern Mohammeds schlagen zu können.) Niemand, abgesehen von einigen Hooligans, die sich erst gar nicht die Mühe zu machen brauchen, nach einem Text zu suchen, der ihr Verhalten rechtfertigt (irgendwie beneidenswert), würde auf die Idee kommen, das zu tun (fairerweise muss ich hinzufügen, dass sie hauptsächlich Salafisten nicht mögen). (Selbst wenn das Zitat abgedroschener nicht sein könnte), und es ist auch gut so, dass keiner Lust darauf hat, sich zu streiten. Die Frage ist, unter welchen Umständen sich wieder Zitate der Bibel nutzen ließen, Menschen davon zu überzeugen, in den Krieg zu ziehen? Wohl nie, wenn ich mir die Meinung der beiden Vertreter der christlichen Kirchen in Erinnerung rufe. Huber und Kelle halten das angesichts der Aufklärung (die leider nicht die Nazis verhindert hat) für undenkbar. Aber das gilt nur, solange ein Teil der christlichen Welt, wie zum Beispiel ein Land oder eine Region, nicht schwer gedemütigt und erniedrigt werden. Vermutlich würde alleine ein dauerhaftes Gefühl der Benachteiligung dafür sorgen, dass viele Menschen zur Bibel griffen, um einen Ausweg aus der Situation zu finden. In einer derartigen Gefühlslage sind die Menschen natürlich wesentlich eher geneigt, Zitate, die vor kurzem noch verpönt gewesen sind, für bare Münze zu nehmen. Mit anderen Worten – eine Diskussion, warum Muslime in den Irak gehen, um auf der Seite des IS gegen den Rest der Welt kämpfen, wäre wesentlich vielversprechender gewesen. Schnell wäre klar geworden, dass sowohl der Islamische Staat als auch die Salafisten ein Produkt des Westen sind. Zumindest hat dessen Politik beiden geholfen, sich zu etablieren.

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