„Sightseers“ – gewöhnungsbedürftig

„ROAST BEAF WITH YORKSHIRE PUDDING. FOLLOWED BY SPOTTED DICK… IR I’M LEANING!“ lässt der Karikaturist des „Independents“ Merkel in einem Restaurant, wo sie mit Cameron zu speisen gedenkt, sagen. Die Reaktion der Gäste ist verheerend – einer Frau fällt die Rießling-Flasche aus der Hand, ein Mann verschüttet kostbaren Rotwein, ein Messer fliegt in die Luft und ein Gast speit sogar das Essen aus. Der britische Premierminister kann gerade so noch die Contenance bewahren – er lässt nur die Speisekarte fallen. (Ich schreibe das, weil die Karikatur jeden Tag weiter nach hinten rutscht. Es ist wirklich bedauerlich, dass die Zeitung sich entschlossen hat, feste Adressen abzuschaffen. Blättern ist nun angesagt.)

Während der Zeichner in erster Linie die Europafeindlichkeit weiter Teile des britischen Establishment – (britisches) Wasser predigen, jedoch (französischen) Wein trinken – zu konterkarieren beabsichtigt, gibt der höchst amüsante Cartoon auch darüber Auskunft, warum seit geraumer Zeit keine Filme, in denen die britische Upperclass verspottet wird, mehr gedreht werden. Diese ist europäisch geworden, somit deren Marotten, Schrulligkeiten und Eigenheiten, die nur in einer gewissen Abgeschiedenheit gedeihen können, dem Untergang geweiht sind, ja es sieht fast so aus, als ob bestimmte Kreise sich ihrer Macken schon haben entledigen können, was natürlich ein schwerer Verlust für die Kultur des Landes wäre. Den Unterprivilegierten bleibt es so vorbehalten, Absonderlichkeiten zu pflegen. Jedenfalls müssen viele Regisseure zur Überzeugung gelangt sein, dass nur noch in diesem Milieu typisch britischen Humor zu finden ist.

Jüngstes Beispiel ist der Film „Sightseers“, der Ende Februar in die Kinos kommt. Schwärzer geht es wirklich nicht. Und röter auch nicht, und selbst Tarantinos umstrittener „Unchained Django“ kann in dieser Hinsicht nur mithalten, weil mehr Brutalo-Szenen in ihm vorkommen, darum die Briten für sich verbuchen können, wesentlich abschreckendere Bilder zu zeigen. Einige sind sogar richtig abstoßend (einmal musste ich gar weggucken, was mir bei „Django“ nicht passiert ist.). Trotzdem darf auch dann gelacht werden, was natürlich nicht jedem vergönnt ist. Das schaffen aber nur die ganz Humorigen. Bis es soweit ist, bleibt genügend Zeit, sich mit Chris und Tina, die als britische Version von „Bonnie und Clyde“ durch den Norden Englands (der übrigens den Vergleich mit den Highlands nicht zu scheuen braucht) tuckern, anzufreunden. Es gibt einiges zum Lachen und Schmunzeln. Dass ich Tina sympathischer finde, ist nur meiner Vorliebe für schräge Typen geschuldet – sie ist ein wenig exzentrisch und hat einen Spleen, während Chris einen richtiger Normalo gibt, der es aber faustdick hinter den Ohren hat. Zwei irrationale Charaktere würde der Zuschauer aber nicht verkraften. Das wäre ein wenig zu viel des Guten. Nichtsdestoweniger wird es Zeit, mal wieder die oberen Zehntausend aufs Korn zu nehmen. Die sind wirklich überfällig.

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