Papst kann von Jagger lernen

Aufklärung über jene Institution, die (angeblich) alles daran gesetzt hat, diese zu verhindern (viele meinen, das wäre heute auch noch der Fall), das hatten die 3Sat-Redakteure im Sinn, als sie sich entschlossen, am Sonntag vor dem Papstbesuch ausschließlich Filme und Dokumentationen, die mit dem Vatikan zu tun haben, zu zeigen. Ich wäre auch voller Lobes über deren Programm gewesen, hätte ich nicht gestern nach Jauch, dessen Sendung recht gut war, noch in Erfahrung gebracht, dass von den drei Filmen, die abends und nachts liefen, jener, den die Programmmacher um 3:20 Uhr angesetzt hatten, am meisten zu versprechen schien – einmal wegen des Inhalts (eine Frau als Papst), zum anderen wegen der Besetzung (Liv Ullmann und Olivia de Havilland, letztgenannte gewann den Oskar zweimal). Für den Normalbürger kam „Papst Johanna“ viel zu früh, für Bäcker viel zu spät. Den „Wir sind Papst“-Machern, die, so mein Eindruck, von diesem Slogan nichts mehr wissen wollen, wäre dieser Fehler nicht passiert – sie hätten die Spielfilme zur Hauptsendezeit ausgestrahlt. Aber 3Sat ist eben kein Unterhaltungs-, sondern ein Bildungssender. Bestimmt haben sich auch einige jener Bundestagsabgeordneten, die den Auftritt des Papstes im Bundestag boykottieren wollen, die Sendungen angeschaut. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass deren Horizonterweiterung dazu führt, doch zu kommen – vermutlich wird erst Lammerts Mitteilung, wer neben den Parteifreunden, die ausharren, sitzen wird, sie zum Einlenken bewegen; aus reiner Kollegialität. Hoffentlich bleiben uns Szenen, in denen sich Abgeordnete und Eingeladene um die Plätze streiten, erspart. Nicht erspart bleibt den Eichsfeldern der Massengottesdienst, der ungeachtet der örtlichen Gegebenheiten überall dort, wo der Papst beabsichtigt, eine Messe zu halten, stattzufinden hat. Ins Eichsfeld fährt Benedikt, um den Menschen dafür zu danken, dass sie dem Katholizismus auch in der Zeit, als Atheisten herrschten, treu geblieben waren. Das muss auch nicht allzu schwer gewesen sein, denn man hat sie in Ruhe gelassen – ein „Kreuzzug“ der SED gegen Katholiken, die in einer katholischen Enklave, die abgelegener nicht sein könnte, leben, hätte nur viel Aufmerksamkeit erregt. 80.000 Gläubige werden nun zur Freiluftmesse erwartet. Das sind mehr, als das Eichsfeld Einwohner hat. Alle kommen mit dem Auto und bleiben nur für ein paar Stunden. Diesen Ansturm haben Menschen und Landschaft wirklich nicht verdient. Warum ist niemand auf die Idee gekommen, den Papst in einer Ortskirche predigen zu lassen? Dass die katholische Kirche es versteht, sich selbst geschickt in Szene zu setzen, ist allgemein bekannt, jedoch schließt das nicht aus, von anderen noch etwas zu lernen. Beispielsweise von Mick Jagger, der auf 3Sat, erklärte, zum 50-jährigen Jubiläum der Stones im Marquee Klub, wo sie zum ersten Mal auftraten, spielen zu wollen. Der Klub existiert nicht mehr, jedoch kann man ihn wieder aufmachen, auch wenn es nur für das Konzert der Stones ist. Vermutlich werden sie mit diesem Konzert mehr Aufmerksamkeit als mit einem vor 80.000 Fans erregen. Ähnlich wäre es mit einer Papstmesse in einer Ortskirche. Zudem bliebe diese der Nachwelt erhalten, während der Platz, wo die Massenveranstaltung stattfindet, wieder renaturiert wird. Ein Santiago de Compostela wird es im Eichsfeld darum nicht so schnell geben.


PS: Ich finde Jaggers „Miracle Worker“ gut.

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Eine Antwort zu Papst kann von Jagger lernen

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