Nie war Woody so langweilig („Blue Jasmine“)

Warum ausgerechnet San Francisco? Warum hat er sie nicht in Big Apple gelassen? Irgendwo in Brooklyn. Oder auf der anderen Seite des Hudsons, in Hoboken. In Newark. Dann hätte ich mich wenigstens nach der ersten Minuten des Films der Hoffnung hingeben können, Jasmine (Cate Blanchett) werde noch ihren Schöpfer, ein Mann namens Woody Allen, treffen, mit dem sie aufregende Sachen, über die ich herzhaft lache, erlebt. Er, der nie einen Oskar persönlich entgegengenommen hat, schickt sie an die Ostküste. Das verspricht nichts Gutes. Leider werden meine Befürchtungen wahr, denn schnell wird klar, dass Allen sich vieler Klischees bedient – die nervende Milliardärs-Gattin, die als mittellose Bürgerin versucht, ihre Haltung zu bewahren (das nenne ich gelebte Aristokratie), die Kassiererin, die immer nur Pech mit den Männern hat, der Arbeiter, der nach Beendigung der Schule nie wieder ein Buch angefasst hat. Und so weiter.

Die Ausnahme, die die Regel bestätigt, macht der Zahnarzt – ein Dentist, der vom Äußeren ein Nachfahre des Führers sein könnte. Das hat es meines Wissens bisher noch nie gegeben. Zahnärzte haben jedoch schon Hitler-Imitatoren behandelt. So Ben Harper, der in „My Family“ mal jemanden, der sich dauernd darüber beschwerte, dass man ihn ausgrenzen würde, weil er sich ganz und gar wie der Führer kleide, als Patienten gehabt hat. Dessen Gerede ist ihm so auf die Nerven gegangen, dass er ihn aus seiner Praxis geschmissen hat. Leider bin ich kein Zahnarzt, darum habe ich bis zum bitteren Ende durchgehalten. Den Zuschauern zu verkünden, der Film würde abgebrochen, da er mir nicht gefalle, wäre mir schlecht bekommen – sie hätten mich gelyncht, denn die meisten im gut besuchten Saal schauten gebannt auf die Leinwand. Vermutlich hat er den Geschmack seiner Fans, die sich als recht gebildet gelten, exakt getroffen – sie scheinen es zu genießen, weder zur einen (Geldadel) noch zur andern Schicht (Proletariat) zu gehören.

Das erklärt, warum die Kritiker den sterbenslangweiligen Film mögen. Die Dialoge lassen, völlig atypisch für Allen, jedweden Charme vermissen, sprich Esprit und Wortwitz fehlen. Ich habe es nicht geschafft, mit einer Person mitzugehen bzw. warm zu werden. Immer bleibt eine gewisse Distanz. Selbst zur leidlichen Schwester Jasmines (Sally Hawkins) sollte sich keine rechte Bindung einstellen. Ein Drama, bei dem ich nicht mitzufühlen braucht und das mein Herz schont, ist keines. Eine Komödie (diesen Anspruch erhebt der Film auch), in der es fast nicht zum Schmunzeln, geschweige denn zum Lachen gibt, ist das Werk auch nicht. Hat wenigstens die für ihren Part gefeierte Cate Blanchett überzeugt? Ich finde, sie spielt zu gekünstelt. Ständig ist sie überspannt. Alles wirkt bei ihr übertrieben. Zu sich selbst findet sie nur, wenn sie mit Ihresgleichen zusammen ist (dann ist sie einigermaßen erträglich). Ist sie das nicht, leidet sie schrecklich darunter, mit „Normalbürgern“ zusammen sein zu müssen.

PS: Die Musik ist ausgezeichnet. Das macht Hoffnung auf seinen nächsten Film.

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