Nach der Flut droht Halle, im Streit zu ertrinken

Während das Wasser sinkt, ist das Gemisch, für das es keinen Namen gibt, da es zum einen zu viele Bestandteile hat (Eigensinn, Halsstarrigkeit, Eitelkeit, Herrsch- und Streitsucht etc.), zum anderen in diesem Verhältnis nur in Halle vorkommt, im Begriff, ein Pegel zu erreichen, das jenes vor dem Hochwasser bei weitem übertrifft – kaum ist die Gefahr gebannt, wird wieder heftig gestritten. Paradoxerweise erlaubt der Gewinner der Schlacht, Halles Oberbürgermeister Wiegand, den Einwohnern und Helfern nicht, den Sieg über das Wasser (selbst ein immer noch möglicher Dammbruch in Halle-Neustadt könnte daran nichts ändern) bei den städtischen Bühnen zu feiern. Alle Sparten bzw. Häuser haben bis übernächsten Sonntag geschlossen. Welcher Herrscher verbot, „Spiele“ aufzuführen? Iwan, der Schreckliche? Oliver Cromwell? Ich habe keine Ahnung. Neben dem „Brot“ sind die „Spiele“ wesentlicher Bestandteil einer Herrschaft. Dabei ist es völlig egal, wie es für ihn bzw. seine Untertanten steht – die Shows müssen weitergehen, andernfalls fängt das Volk zu rumoren an. Meistens endet das auf den Barrikaden.

Bisher jedenfalls, denn Halle könnte bald die Ausnahme von der Regel sein, da Wiegands Entscheidung, auch die Händelfestspiele abzusagen, die Mehrheit der Einwohner gutheißt. (Das muss noch lange nicht heißen, dass die meisten die unfreiwillige Pause der Schauspieler, Sänger und Musiker für richtig halten. Nur protestiert, außer den Künstlern natürlich, bisher niemand dagegen.) Das wäre natürlich ganz anders, wenn „Wetten, dass…?“ heute Abend aus Halle hätte kommen sollen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, die Sendung abzusagen. Selbst unser Bürgermeister nicht. Aber da es noch genügend Leute gibt, die Händel mögen (letztes Jahr kamen 45.000), hat die Veranstaltung „Spiele-Charakter“. Zudem lebt Halle nicht schlecht von ihm.

Umso unverständlicher ist die Absage, zu der sich, was noch beunruhigender ist, Wiegand und Haseloff im Alleingang entschlossen haben. Die Organisatoren wurden gar nicht erst gefragt. Dass unser Oberbürgermeister wegen seines unkollegialen Führungsstils nicht in der Bredouille sitzt, verdankt er seiner Fähigkeit, andere für sein Tun mitverantwortlich zu machen. (Im Wahlkampf hat er angekündigt, die Dezernenten mehr Spielraum geben zu wollen. So hat sich das aber niemand vorgestellt.) Leidtragender ist Festspielintendant Birnbaum – der hat die Erlaubnis (Aufgabe?), ein Rumpfprogramm zu organisieren. Bei ihm bleibt nun alles hängen. Er hat den undankbaren Job, in der kommenden Woche noch etwas Brauchbares zustande zu bringen, was eigentlich unmöglich ist. Abgesagt ist abgesagt.

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