Madame No, nein, Madame bitte

Wie kann ich die Bürger eines Landes vor einer Deutschen warnen, die einen Spitznamen hat, der den Eindruck vermittelt, dieser würde sie trefflich charakterisieren, die Wirklichkeit jedoch ein differenziertes Bild liefert, wenn ich deren Sprache nur unzureichend spreche, geschweige denn in dieser korrekt schreiben kann? Nun, es bliebt mir nicht anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass jemand den Text übersetzt. Und natürlich müssen ihn dann noch die Menschen lesen. Aber die Aussicht, dass dieser Beitrag dazu beitragen könnte, die Wahrheit in einem Land, in dem das politische Flugblatt große Erfolge gefeiert hat, aufzuzeigen, spornt mich an, zu schreiben. Es geht, was nicht schwer zu erraten gewesen sein dürfte, um Frau Merkel, die angesichts ihrer Weigerung, Geld in Konjunkturprogramme zu stecken, den Namen „Madame No“ sicherlich zu recht verpasst bekam, da sich nun aber anschickt, für Sarkozy Wahlkampf zu machen, scheint es mir angebracht, den Franzosen mitzuteilen, dass unter „Madame No“ eine Entwicklung, für die sie die Anrede „Madame s’il te plait“ (klingt wesentlich besser, da nicht so hart) verdient hätte, ihren vermeintlichen Höhepunkt erreicht hat – wüssten Frankreichs Eltern, wie nervenaufreibend das Erziehen deutscher Kinder heutzutage sein kann, würden sie „Madame bitte“ kein Gehör schenken.
Glücklich derjenige, dessen Kind schon bei der ersten Bitte reagiert. Da es oft mehrerer Bitten bedarf, bis das Kind reagiert, müsste „Madame bitte“ eigentlich „Madame bitte bitte bitte“ heißen. Aber das wäre unfair gegenüber Frau Merkel. In Frankreich ist alles ganz anders, da hören die Kinder aufs Wort. Aber eigentlich diese Einschätzung nur zum Teil richtig, denn die Kinder machen, wenn mich mein Eindruck nicht täuscht, gar nichts falsch, was die Eltern in die komfortable Lage versetzt, ihre Sprösslinge nicht darum bitten müssen, sich richtig zu benehmen oder zu gehorchen, sie im Idealfall diese also nur um etwas, was nicht mit Disziplin zu tun hat, bitten, beispielsweise wenn sie die Kinder fragen, doch bitte den Médoc aus dem Keller zu holen. Französische Kinder sind also völlig anders als deutsche, was für viele Deutsche – besonders jene, die der älteren Generation angehören – der Himmel auf Erden sein muss, denn dort kämen sie nicht in die Versuchung, den Kindern im Beisein der Eltern zu sagen, dass es sich nicht gehört, sich in die Gespräche der Erwachsenen einzumischen bzw. diese zu unterbrechen. Sie bräuchten die Kinder anderer Leute auch nicht mehr aufzufordern, doch endlich zu grüßen. Am meisten neide ich den Franzosen, dass die Aufforderung „wie sagt man, wenn man etwas bekommen hat“ in ihrem Sprachschatz nicht existiert. Die Nichtexistenz dieses Satzes macht das Leben wesentlich erträglicher. Heutzutage ärgern sich aber nur die Schenker, wenn das Wort „danke“ nicht mehr fällt.
Was haben die Franzosen wohl gedacht, als Hillary Clinton sagte, man brauche ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen? Vermutlich haben sie darüber herzlich gelacht. Eine Kassiererin Nettos nahm Clintons Worte ernst, jedoch hatte sie das Pech, dass sie auch die Tochter eines Spiegelkolumnisten erziehen wollte. Aufgrund des seiner Meinung schlechten Services sowie des Anranzers wünscht er nun, dass Netto Pleite gehen möge. Dieser Traum wird wohl nicht in Erfüllung gehen. Ebenso wenig können jene, die mit den neuen Verhältnissen in Berlin Mitte, wo die Kleinkinder die Macht an sich gerissen haben, nicht klar kommen, darauf hoffen, im runden Geburtstagsjahr würde der Alte Frist wieder auferstehen (Sarkozy hat leider seine Chance, Napoleon zu werden, gründlich versemmelt) und als erstes verfügen, dass in Berlin nur noch Franzosen Kinder haben dürfen. Der Kneipenbesuch wäre wieder ein Genuss, denn den französischen Kids wird nachgesagt, dass sie sich auch in diesen Etablissements zu benehmen wissen. Eine französische Journalistin behauptet gar, die strenge Erziehung würde sicherstellen, dass Frankreich nie die Rebellen ausgingen, während das englische Modell, das den Kindern alles erlauben würde, nur Konformisten hervorbringe. Diese These finde ich sehr interessant. Plausibel ist sie mir angesichts der Streitlust, die die Franzosen immer wieder aufs Neue zeigen, auch. Es wird aber Zeit, dass sie wieder einen Philosophen, an dem sich die Welt reibt, hervorbringen.

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