Lesung ohne mich/Fernsehboykott

Tenenbom war in Halle, und aus dem Artikel, in dem zu lesen ist, er habe mit knapp 100, meist jungen Zuhörern diskutiert, schließe ich, dass nur Studenten über dessen Lesung informiert waren (auf seine Veranstaltung in Connewitz wies die MZ noch explizit hin). Hätte die Regionalzeitung darüber berichtet, wären 100 Mittzwanziger im Hörsaal gewesen. Angesichts des Aufruhrs, das sein Buch „Allein unter Deutschen“ auslöste (er hat ihnen unter anderem „blitzgescheite Dummheit“ beschieden), hätte der Saal eigentlich krachend voll sein müssen. Woran erkenne ich einen „blitzgescheiten Dummen“? Was unterscheidet ihn von einem durchschnittlichen Dummen? Darüber könnte man sicherlich stundenlang (selbst in Englisch) diskutieren (zu guter Letzt muss man am Ende eine Prüfung ablegen). Lt. MZ sind diese Fragen nicht gestellt geworden (ich habe halt gefehlt).

Statt auf Holzklappstühlen saß ich im Sessel und schaute mir „das TV-Ereignis des Jahres“ (Spiegel) an. Wer ganz penibel ist – der Titel „Unsere Mütter, unsere Väter“ lässt ja vermuten, so wie den fünf muss es allen während des Krieges ergangen sein –, wird sich fragen, wie die Deutschen verlieren konnten. Die Protagonisten sind einfach nicht kleinzukriegen. Und wenn, dann gehen sie selbst in den Tod oder sie werden umgebracht (die Erschießung des einstigen Gesangstars fand ich höchst unglaubwürdig). Warum dieser schwülstiger Titel, wenn im Film nur extreme Situationen, die keineswegs typisch waren, zu sehen sind (der Film lechzt richtig nach packenden, aufregenden und verstörenden Szenen)? Dieser Schwulst sowie die daraus resultierende Anmaßung sind schlicht unerträglich. Wie lobe ich, alleine schon des Titels wegen, mir den Film „Die Abenteuer des Werner Holt“ (das Buch natürlich auch). Im Ausland wird die Serie unter einem ganz anderen Titel laufen (vermutlich ist auch ein Adventurous mit dabei).

Ob aber im Süden Europas viele darauf erpicht sind, heroische Deutsche zu sehen, bezweifele ich – die deutsche Forderung, ausgerechnet in der Krise auf dem Kürzen der Ausgaben zu bestehen, stößt auf völliges Unverständnis. Dem Dogma, dass erst alles schlimmer werden muss, bevor es besser wird, glauben die meisten nicht. Nun ist Zypern an der Reihe. Das Land haben viele Mitte dieser Woche bereits als Teilrepublik Russlands gesehen. Seit gestern wissen wir, dass Putin kein Geld auf der Insel geparkt hat. Und da er Russen, die Teile ihres Vermögens ins Ausland transferieren, nicht zu mögen scheint, denkt er gar nicht daran, zu helfen. Schaden soll klug machen, auch wenn seine Beamten nun höhere Zinsen zu zahlen haben. Wenigstens helfen die Briten – lt. Guardian haben sie Bailout-Experten ins Land geschickt. Es würde mich nicht wundern, sollte ihnen ein Coup, der alle einigermaßen zufriedenstellt, gelingen.

Dagegen haben die Deutschen es geschafft, sich auch noch in Kasachstan unbeliebt zu machen. Damit der deutsche Fernsehzuschauer seinen Rhythmus nicht zu ändern brauchte, musste das Spiel um 24 Uhr Ortszeit angepfiffen werden. Ob Merkel da war, weiß nicht. Ich habe nicht geschaut (ich gucke mir recht selten die Nationalmannschaft an). Hoffentlich haben andere auch die Übertragung boykottiert.

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