Leider keine Party ohne Ende („Der große Gatsby“)

Während es im normalen Leben an der Zeit ist, nach Hause zu gehen, wenn die Musik aufhört, zu spielen, lässt Luhrman am Ende der Party seine Protagonisten von der Leine. Dass die dann nicht so recht in Schwung kommen, ist nicht verwunderlich – Feiern ist nicht nur anstrengend, sondern kann auch süchtig machen. Von dieser Droge wieder wegzukommen, fällt ungemein schwer. Ich muss zugeben, dass ich mich auch habe anstecken lassen. Von der Musik. Von der tollen Choreographie. Vom Kitsch. Vom Pomp. Ludwig II. (der mit dem Schlösser-Tick) hätte seine helle Freude an den Bauten gehabt. Besonders die grellen Farben hätten es ihm angetan. Erstaunlicherweise strengt es nicht an, ständig Künstliches, das eher zu „Alice im Wunderland“ statt zu Big Apple passt, zu sehen. Selbst die New Yorks Unterprivilegierte machen den Eindruck, als kämen sie aus der Retorte.

Wenigstens hat Gatsby (DiCaprio) sich während der Zeit der großen Sausen wohltuend zurückgehalten. Die anderen Charaktere an für sich auch, jedoch nicht in dem Maß, wie ich es mir gewünscht hätte – immer muss irgendjemand reden, wenn die Musiker/Innen ihr Bestes geben. Meist ist es, als versuchten sie, die Sänger/Innen zu übertönen. Das stört ungemei, zumal sie sich meistens nicht viel sagen haben (Smalltalk – wie es halt auf Partys üblich ist). Da der Roman will, dass Gatsby Daisy, in die er schwer verliebt ist, aus den Klauen der Ehe befreit, hört nach gefühlt einer Stunde der Spaß auf. Sehr zu meinem Bedauern, denn ohne die Leichtigkeit des Seins werden die Dialoge langweilig, wird der Monolog des Erzählers immer schwülstiger. Zum Lachen hat es eh nichts gegeben, Ironie ist für die Charaktere ein Fremdwort. Ebenso habe ich brillante Wortgefechte vermisst. Die Superfeten im ersten Teil überdecken diese Schwächen.

Arme Schauspieler. Sie sind wirklich nicht zu beneiden. Gut gefallen hat mir dennoch nur einer, nämlich Maquire, der als Carraway zugleich Gatsbys einziger Freund sowie Erzähler ist. Cool, ein bisschen kindisch, ziemlich naiv, ohne aufgesetzten Charme – seine einzige Schwäche ist, dass er sich von der Welt der „(Gewohnheits)“Reichen in Gefangenschaft hat nehmen lassen, ja süchtig nach dieser ist. DiCaprios Rolle ist anspruchsvoller – er muss einen modernen Hans Albers geben, was aber niemand merken darf, da er dann nicht mehr der große Gatsby wäre. Das gelingt ihm ganz gut, denn niemand kommt auf die Idee, warum er so ist, wie er ist. Nur eine Szene geht richtig daneben (als er Daisy nach fünf Jahren wieder trifft). Nichtsdestoweniger ist es schade, dass Luhrman DiCaprio nicht erlaubt, aus sich herauszugehen (schon der Zuschauer wegen). Nicht mal überschwänglicher Party-Gastgeber darf er sein. Luhrman kennt da kein Erbarmen. Gatsby wird das Antrainierte nicht mehr los werden. Ist wenigstens Daisy (Mulligan) die Mühe wert? Ich weiß nicht so recht. Mir ist sie ein wenig zu blass. Egal. Ich überlege, wie die Party hätte weitergehen können. Vielleicht mit einer Ménage-à-trois? Die Franzosen hätten das sicherlich hinbekommen (mit Cotillard als Daisy). Für Amerika käme das nicht in Frage, denn Gatsby ist dort nicht nur groß, sondern auch heilig.

PS: Am Anfang drückt Luhrman mächtig auf die Tube (schnelle Bildwechsel). Er muss gewusst habe, dass der Film zu lang werden könnte. Wenn das Kino voll ist, besteht wirklich Thrombose-Gefahr.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert