Krieg der Ökonomen sowie ein schwarzer Tag für London

Die Krise kam donnerstags wieder zurück, aber wenigstens haben ab heute all jene, denen die diversen Rettungsschirme schon immer suspekt gewesen sind, die Möglichkeit, vom Bundestagsabgeordneten ihres Wahlkreises zu fordern, gegen eine europäische Bankenunion zu stimmen, wobei überhaupt fraglich ist, ob sie noch einmal über den ESM beratschlagen werden, haben sie das Gesetz doch schon durchgewunken. Und da bekanntlich nur in einem süßen Brotaufstrich genau das drin ist, was auf dem Etikett steht, wäre es vorstellbar, dass die Punkte, auf die sich Europas Spitzenpolitiker erst wenige Stunden vor der Abstimmung im Bundestag einigten, keiner Zustimmung mehr bedürfen, was den Aufruf Prof. Sinns überflüssig machen würde. Ein Indiz, dass dieses Szenario ausgeschlossen werden kann, ist die Meldung, andere Ökonomen beabsichtigten, morgen einen Appell, der Sinns Befürchtungen widerlegt, zu veröffentlichen. „Nachtigall, ick hör dir trapsen“ – läuft alles wie erhofft, kommen wir in den Genuss, in den nächsten Tagen einen Ökonomen-Streit erleben zu dürfen. Jammerschade wäre es, sollten beide Parteien sich bereits am Sonnabend dazu entschließen, dass Kriegsbeil zu begraben. Der Sängerkrieg auf der Wartburg wäre längst vergessen, hätte sich schon nach einer Stunde herausgestellt, wer sich am besten aufs Rühmen versteht. Damals kämpften die Sänger um die Gunst des Herrscherpaares, während heute die Protagonisten versuchen, möglichst viele davon zu überzeugen, dass ihre Sicht der Dinge die richtige sei. Sinns Truppe ist haushoher Favorit, aber nicht wegen der besseren Argumente, sondern weil diese leichter zu verstehen sind bzw. sich an den Werten vieler Menschen orientieren. Für London brachte der heutige Tag nichts Gutes – das hässlichste Bauwerk der Stadt ist eröffnet wurde. Und das ist auch noch dessen markanteste Gebäude. Knapp 310m ist der Wolkenkratzer hoch. „Shard“ (Glassplitter) wird es genannt. Leider habe ich nicht herausfinden können, ob die Erbauer den Namen wählten, um den Menschen zu suggerieren, es würde etwas Niedliches entstehen, oder ob die Londoner, als sie sahen, wie schrecklich der Riese aussehen würde, auf die Idee kamen, ihn sich schön- bzw. kleinzureden (die scharfen Kanten haben natürlich bei der Namensfindung die entscheidene Rolle gespielt). Der Name hilft jedenfalls ungemein, mit dem Gebäuden auszukommen (ins Reine kommt man mit ihm nie). Irgendetwas mit „Tower“ am Schluss hätte einen ständigen Widerwillen hervorgerufen sowie ein immerwährendes Gefühl der Ohnmacht ausgelöst. Wer es sich leisten kann, macht sich das Motto Guy de Maupassant zu eigen, der, als er gefragt wurde, warum er immer im Restaurant auf dem Eiffelturm zu Abend esse, antwortete, dass dies der einzige Ort in Paris sein würde, von dem man den Turm nicht sehen könne.

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