Geschmack und Geld

Früher war alles besser, vor allem für jene, die es sich leisten konnten, als Bauherr in Erscheinung zu treten – konnten Friedrich, Ludwig und Julius aufgrund der Macht, die absolut war, noch darüber entscheiden, wie die Gebäude auszusehen haben, würde ihnen heute niemand mehr erlauben, auf die Gestaltung von Bauwerken, die der Allgemeinheit dienen, Einfluss zu nehmen, sie darum bei den ersten Protesten denjenigen, der sie hat auferstehen lassen, bitten würden, sie, sofern es Himmel und Hölle wirklich nicht geben sollte, wieder in ihrer Gruft zu schicken. Es sei denn, sie würden das Projekt aus ihrer Privatschatulle finanzieren (beim Alten Fritz so gut wie ausgeschlossen). Womit ich bei Bernard Arnault wäre, der jemanden, dessen Bauten den Eindruck erwecken, sie würden bei einem 1x1m großen Loch zusammenfallen (dabei ist es völlig egal, an welcher Stelle BBBBernhardt mit dem Presslufthammer zuschlägt), beauftragt hat, mitten in Paris ein Gebäude für seine Kunstsammlung zu errichten. Leute, die Geld haben, jedoch immer Panik bekommen, wenn sie die Fassaden seiner Wohnhäuser (eines ist gar 267m hoch) sehen, werden spätestens seit dem Wochenende, als die Medien berichteten, die Galerie sei eröffnet worden, froh darüber sein, dass er in letzter Zeit nicht an etwas, in dem Menschen wohnen, gearbeitet hat. Stattdessen hat er seiner Meinung nach geholfen, Paris eine „Glaswolke“ zu verschaffen. Ich halte es für ein riesengroßen Insekt, das, ähnlich wie Godzilla, nur wegen einer Überdosis Kernstrahlung so groß werden konnte. Frank Gehry ist der Schöpfer dieses gepanzerten Käfers. Und welchen Einfluss hatte Arnault bei der Gestaltung? Ich an seiner Stelle hätte mir die Segel, die aus dem Gebäude leider kein Schiff, sondern ein Krabbeltier mit einen übergroßen Panzer machen, nicht aufschwatzen lassen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum ich kein Milliardär bin – niemand will, dass auch mein Name fällt, wenn jemand fragt, wer das Bauwerk entworfen hat. Den heutigen Milliardären ist das egal – sie vertrauen sich ganz und gar einem Stararchitekten an. Vermutlich haben sie Angst, man könne sich über sie lustig machen. Viel Geld, dafür aber keinen Geschmack. Irgendwie muss das Leben ja einigermaßen gerecht sein. Und falls sich doch mal jemand reinhängt, braucht der Architekt nicht zu fürchten, dass der Kompromiss, den er eingehen musste, seinen Ruf schädigen könnte. Es erfährt ja eh keiner. Das ist wirklich schade. Vermutlich werden die Menschen bis zum Ende ihrer Existenz mehr über das Verhältnis Friedrichs zu Knobelsdorff als über das Arnaults zu Gehry wissen.

Bis heute habe ich gedacht, nur Halle würde mit alten Fabrikhallen stiefmütterlich umgehen. Weit gefehlt! In Frankfurt haben sie eine Großmarkthalle dem Fortschritt, der sich in diesem Fall EZB nennt, geopfert. Die Bank, die über eine Währung wacht, von der viele glauben, sie hätte nicht eingeführt werden dürfen, hat sich einen Verwaltungssitz, deren Aussehen arg gewöhnungsbedürftig ist, zugelegt. Angesichts des Lobs, das ihr wegen ihre Politik, die darauf abzielt, für Wachstum zu sorgen, hat sie Eleganteres verdient. Die alte Halle hat man mit einem Eingang, den, so scheint mir, die Architekten bei Zaha Hadid abgekupfert haben, ziemlich entstellt. Der Charme und die Eleganz des Halle ist dahin. Unverständlicherweise mussten auch noch die beiden Verwaltungsgebäude an den Stirnseiten auf modern getrimmt werden. Hinzu kommen zwei schreckliche Türme, die durchaus reizvoll wäre, hätte man darauf verzichtet, zwischen ihnen noch eine Glaswand hochzuziehen. Ein freier Blick auf die Trakte, die beide Teile verbinden, hätte die Türme wesentlich interessanter gemacht. Und das bezahlt die EZB auch noch selbst.

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