Endlich ist es raus

Hätte Louis Stevenson jene Leuten, die, um Captain Flints den legendären Schatz zu finden, ein Schiff samt Mannschaft charterten, zum Schweigen verdonnert (ich denke an den gutmütigen, jedoch sehr geschwätzigen Trelawney), hätte er seinen Roman „Die Schatzinsel“ gar nicht erst zu schreiben brauchen – ohne John Silver das Lesen zu einem sterbenslangweiligen Zeitvertreib geworden wäre. Da es, als er das Buch schrieb, noch keine Sender, die ihr Geld mit dem Verkauf von Schmuck verdienen, gab, wäre das Buch auch bei einer exakten Beschreibung jedes einzelnen Stückes, das sie fanden, schnell in Vergessenheit geraten. Schweigen ist nicht immer Gold.

Für die deutsche Justiz scheint sich ihre Geheimniskrämerei, zu meiner großen Verwunderung, (noch?) auszuzahlen – niemand fragt sie, wieso sie anderthalb Jahre geschwiegen hat. Dabei wussten die Ermittler, als sie im Februar 2012 Gurlitts Wohnung durchsuchten, was sie erwarten würde. Mehr als 1000 Bilder hortete er in seinem Appartement. Raubkunst, heißt es im Spiegel, wobei er den größten Teil der Diebesware behalten könnte, wenn er wollte. Erstaunlicherweise klagte Gurlitt nicht gegen die Beschlagnahme der Werke. Aus Rache? Will er, dass sich deutschen Behörden mit jenen, die sie zurückfordern, fetzen? Es sieht ganz danach aus. Der Mann hat genug Zeit gehabt, sich zu überlegen, was er tun würde, wenn die Polizei erführe, dass er Bilder besitze, mit denen er ein Museum, das Konkurrenz nicht zu scheuen bräuchte, eröffnen könnte. Mich würde nicht wundern, sollte er dem Focus gesteckt haben, dass seine „Sammlung“ konfisziert wurde. (Aus Angst, er könne nicht mehr erleben, wie sich die Parteien vor Gericht streiten. Er ist schließlich 80.)

Umso verwunderlicher finde ich es, dass die Staatsanwaltschaft nicht selbst die Initiative ergriffen hat. Angriff ist noch immer die beste Verteidigung. Warum wurde die Sichtung der Gemälde still und leise durchgeführt? Wäre es nicht besser gewesen, wenn man eine Kommission, die regelmäßig über ihre Arbeit berichtet, eingesetzt hätte? Die hätte schon mal Bilder jener Werke, deren Herkunft bzw. Echtheit zweifelsfrei geklärt ist, ins Netz stellen können. So bleibt das Unbehagen, dass die Staatsanwaltschaft aus Furcht, die Nachkommen jener Leute, denen die Bilder gehörten, könnten prozessieren, was dem Ansehen des Landes schaden würde, die Angelegenheit als streng geheim hat deklarieren lassen. Niemand darf etwas darüber wissen. Umso besser, dass das Geheimnis keines mehr ist. Es war höchste Zeit. Ich glaube, der schwierige Teil steht der Justiz erst noch bevor. Alles halte ich für denkbar. Vielleicht erbt der Staat die Bildern. Dann kann er sie an die Museen zurückgeben. Und jenen, denen die Gemälde weggenommen wurden, diese höchst unbürokratisch zurückgeben.

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