Ein Wiedergänger, der mit einem Bären tanzt

Was nutzt es einem, „Glück im Unglück“ zu haben, wenn man die Lage, in der man sich nun befindet, als völlig ausweglos betrachtet? Keine Bange, denn schließlich gibt es ja das „Glück des Tüchtigen“, das von den zig Millionen, die sich The Revenant anschauen werden, nur wenigen hold wäre, müssten sie sich wie Hugh Glass in der Wildnis durchschlagen. Die meisten, auch ich, würden schon bei leichten Aufgaben – wie bspw. dem Anzünden eines Feuers im für hiesige Verhältnisse tiefsten Winter – scheitern. Für einen Trapper des 19. Jahrhunderts war sicherlich kein Problem. Die Rancher, die in einem Nationalpark, den vom Yellowstone, in dessen Nähe sich die Handlung abspielt, nur ein Bundesstaat trennt, den Aufstand proben, würden dazu ebenso in der Lage sein. Amerika hat es eben besser – dank der Pfadinder sind viele in der Lage, einige Szenen nachzuspielen. Leider hat die DDR ihnen nicht erlaubt, Sommercamps, in denen ich als Kind hätte lernen können, mich von Wurzeln und Gräsern zu ernähren, abzuhalten. Weder die Jungen Pioniere noch die GST haben uns das beigebracht. (Was sagen Sie nun, Herr Krenz?) Daher ist es nicht verwunderlich, dass ich mich während des Films oft dabei ertappt habe, an dessen Wahrheitsgehalt zu zweifeln, was sicherlich völlig normal sein würde, wäre mir das beim Krieg der Sterne auch widerfahren. Da das nicht der passiert ist, frage ich mich, warum nach jedem Abenteuer, das DiCaprio (diesmal kann die Oscar-Jury ihn wirklich nicht übersehen) übersteht, mein Gehirn sich angeschickt hat, zu ergründen, ob die Szene realistisch dargestellt worden ist. Da Iñárritu, der gute Chancen hat, seinen zweiten Regie-Oscar (nach Birdman) zu erhalten, dem Zuschauer Zeit einräumt, das Geschehen zu verdauen (eine Achterbahn der Gefühle), habe ich fast die Vermutung, dass es seine Absicht ist, ihn anzuregen, die Szenen zu beurteilen. Er gönnt dem Zuschauer also ein wenig Ruhe. Die hat er, jedenfalls ist es mir so ergangen, nötig, da sie ihn in die Lage versetzen, Kraft für neue Gefahren zu tanken. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich preisgebe, dass die Pausen, die Iñárritu DiCaprio verordnet hat, äußerst unbequem sind. Das tut man nur, wenn man keinen Ausweg mehr weiß bzw. sich in der Wildnis auskennt, womit ich wieder bei meinen Überlebenskenntnissen, die praktisch nicht vorhanden sind, bin. Im Nachhinein bin ich zum Entschluss gekommen, dass The Revenant ein äußerst realistischer, wenn auch blutrünstiger Film ist. Vielleicht stoße ich in nächster Zeit auf ein Forum bzw. einen Thread, in dem über den Realitätssinn einiger Stellen diskutiert wird (2 unwesentliche Handlungen sind mir noch unklar).

PS: Die Wahl der Überschrift gibt Ihnen keinen Grund, mich um meine Englischkenntnisse zu beneiden. Ich habe es nachgeschlagen. Warum der deutsche Verleih diese Übersetzung gewählt hat, kann ich mir nicht erklären. Wiedergänger trifft es auf jeden Fall besser.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert