„Ein Lied“

Hätte ich gewusst, dass Figaro, der Sender, der Hildebrandts Vorstellung in Potsdam im Rundfunk übertragen hat (siehe Artikel vom Sonnabend), die Sendung nicht auf seiner Webseite zum Abrufen bereitstellen würde, sowie die Passage, die mich am meisten beeindruckt hat, sich nicht im Netz finden lassen würde, hätte ich mir natürlich gemerkt, wie oft er, als er schilderte, wie sich seine Truppe auf Geheiß ihres Feldwebel mit dem Lied „Wir lagen vor Madagaskar“ anschickte, Stellung vor Bitterfeld zu beziehen, „ein Lied“ herausbrachte – 8 mal intonierte er es bestimmt, zu meiner großen Freude jedes Mal in einer anderen Tonlage, und dann noch mit einer Stimme, die vermuten lassen könnte, Hildebrandt muss sich in den 65 Jahren, die seitdem vergangen sind, kaum verändert haben – kräftiger und schwungvoller ging es nimmer, selbst ein Zwanzigjähriger hätte Mühe gehabt, dessen Elan zu übertreffen. Woher hat er nur diese Frische und Vitalität? Schließlich ist er ja fast schon Mitte 80. Denen, die nichts damit anzufangen wissen, sei gesagt, dass in einer Armee, die Wert auf Drill legt, der Mann, der sich beim Marschieren des Zuges ganz rechts in der Reihe befindet, „ein Lied“ sagen bzw. brüllen muss, wenn es heißt, jetzt wird gesungen. Der erste Mann im Zug legt los, der letzte sagt dann „Lied durch“. Da dieser der kleinste und schwächste ist, hat Hildebrandt, als er mit seinem „ein Lied“ beim letzten Mann angelegt war, dessen Obligatorisches „Lied durch“ gepiepst, was ich ganz toll fand. Leider will mir überhaupt nicht einfallen, wie es war, als ich marschieren durfte. Vermutlich habe ich die falschen Lieder gesungen – diese waren einfach zu pathetisch und kampfestrunken, darum auch völlig ungeeignet für die Armee, wo es darauf ankommt, dass sich die Soldaten ihrem Schicksal fügen, darum die Dinge nicht so streng angegangen werden dürfen. „Wir liegen vor Madagaskar“ hätte die NVA zwar nicht vor dem Untergang gerettet, sie aber um ein My erträglicher gemacht, was natürlich nicht heißt, ich würde bedauern, dass ich vor Bitterfeld nicht dabei sein konnte.

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