Der Weg – auf nach Compostela (leider nur im Kino)

Hätte Emilio Estevez sich dazu entschlossen, seinen Vater (Martin Sheen) den Jacobsweg in Begleitung eines Maulpferdes oder Esels gehen zu lassen (seit dem Tag (Jahre her), als im Fernsehen ein älterer Mann quietschvergnügt erklärte, seine Frau habe ihn, weil er nun schon mehrere Wochen mit dem Pferd unterwegs sei, für bekloppt erklärt, habe ich mir fest vorgenommen, ihm irgendwann nachzueifern), wäre „Der Weg“ wohl ein ziemlich trauriger Film geworden – Pilger mit vierbeinigen Kameraden sind in allen Dokumentationen, die ich bisher über die Nutzer des Massenwanderwegs gesehen habe, alleine geblieben. Avery, den Sheen spielt, hätte der Gedanke, ob sein Sohn am ersten Bergpass des Weges nach Santiago de Compostelo womöglich Selbstmord begangen haben könnte, die Bilder lassen eine derartige Vermutung durchaus zu, nicht mehr losgelassen. Ständig hätte er sich gefragt, ob und was er falsch gemacht haben könnte. Zig Rückblicke in die Zeit, als sein Sohn noch ein Kind war, hätte es gegeben. „Trauerarbeit“ pur – und das nicht nur für ihn sondern, sondern auch für den Zuschauer. Dass er überhaupt auf Tour geht, verdankt der gutsituierte Augenarzt aus Kalifornien ausgerechnet jenem Gendarm, der für die Übergabe der Leiche verantwortlich ist. Er überzeugt ihn – im Stile eines Reiseverkehrskaufmanns, was ein wenig nervt, da jedoch Englisch nicht seine Muttersprache ist, macht er dies sehr gekonnt – nach Compostela zu wandern. Im Gepäck hat er, ganz untypisch für einen Katholiken, die Asche seines Sohnes, die er an später dann an Stellen, die er für angebracht hält, verstreuen wird. Bevor er mit den drei Leuten, die er unterwegs trifft, Freundschaft schließt, gibt es noch eine Menge Zoff, den er, der in den ersten Tagen immer versucht, Kontakt mit anderen Wanderern, die der Alltag plagt, zu vermeiden, mit seiner Art, keinen an sich heranzulassen, selbst anzettelt. Santiago de Compostela erreichen sie schließlich als vier „Musketiere“, die nach dem Motto „alle für einen – einer für alle“ handeln (es geht wirklich recht lustig zu; viele Szenen sind recht originell). Und was wäre die Stadt ohne ihre Kathedrale? An ihr führt kein Weg vorbei. Die ist wirklich sehr beeindruckend, jedoch stört mich die Art und Weise, wie strenge Gläubige ihre Verehrung für den heiligen Jacobus zum Ausdruck bringen – sie küssen ihn. Deswegen habe ich mich auch erst gar nicht in dessen Nähe getraut. Leute, die Angst haben, sich anzustecken, passiert meistens was. Wäre ich gezwungen worden, ihn zu küssen, hätte ich eine Stelle gewählt, die niemand benutzt, womit ich mich aber der Gefahr ausgesetzt hätte, eine Krankheit, die längst ausgerottet ist, einzuhandeln (bspw. die Pest). Klugerweise hat Estifez darauf verzichtet, diesen rituellen Akt zu zeigen. Aber ganz ohne Ritual geht es doch nicht – seine Protagonisten legen ihre Hand in den Handabdruck, der sich an einer Säule befindet (große Ansteckungsgefahr). Wie werden sich die vier trennen (es wäre interessant, zu wissen, ob Pilger dort sesshaft geworden sind)? Das Gute ist, dass der Abschied nicht allzu sentimental ausfällt. Ein wenig Romantischer hätte er aber schon sein können. Die letzte Einstellung enttäuscht – ich hätte mir so etwas Geniales wie in „Local Hero“ gewünscht. Da klingelt das Telefon in einer Zelle, die nahe am Ufer in einem verschlafenen schottischen Dorf steht. Der Anrufer (aus Dallas) hat dort die schönste Zeit seines Lebens verbracht.

PS: Aufgrund der vielen Landschaftsbilder könnte am Ende des Films der Eindruck entstehen, die Tour würde sich nicht lohnen, da man bereits alles kenne. Vermutlich wäre es besser gewesen, weniger zu zeigen. Richtig gestört haben mich die Bilder samt der Kartenausschnitte aber nicht.

PSS: Wie konnte ich nur „Dire Straits“ vergessen

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