Der Sprint-Marathon

In puncto Chuzpe ist dies der Marketingcoup des Jahres, und ausgerechnet der BER (falls Sie es mit den Abkürzungen nicht so haben – das ist das Kürzel für den neuen Berliner Flughafen) kam auf die Idee, zu versuchen, der weitverbreiteten Vorstellung, der Bau des Hauptterminals könne so lange wie der des Kölner Doms dauern, mit einem Wort, das die meisten mit Bold in Verbindung bringen, zu begegnen – die Flughafengesellschaft hat ein „Sprint Beschleunigungs-Office“, dessen Mitarbeiter die Arbeiten voran bringen sollen, einrichten lassen. Ein „Koordinierungs-Office“ war Mehdorn, dem Chef, anscheinend zu nüchtern. Der ehemalige Eisenbahner mag es peppig. Er will Elan versprühen. Die Wahl der Bezeichnung lässt vermuten, das Terminal werde nicht nur funktionieren, sondern auch noch viel früher als geplant in Betrieb gehen, was konkret erst einmal heißt, dass lt. MDR die Eröffnungstermin nicht mehr zu halten sei – angesichts der Komplexität und Schwere der Probleme könne mit einer Inbetriebnahme nicht vor 2015 gerechnet werden. Alleine schon das Programmieren der Brandschutzanlage würde anderthalb Jahre dauern.

Darum können sich Aufsichtsrat und Vorstand sicher sein, spätestens nach der Meldung, der Eröffnungstermin sei nicht zu halten, mit Häme und Spott begossen zu werden. Die kommt bestimmt. Ich bin gespannt, was sich die Journalisten und der Volksmund alle wird einfallen lassen (Die Marathon-Sprinter. Wo hat das Igelpaar, das jeden Eindringling erbarmungslos zu Tode hetzt, sein Revier?.. ……! Sobald die Ingenieure einen Fehler gefunden haben, ruft er von Neuem „Neuer Fehler, neuer Fehler“.) Kabarettisten werden auch ihren Beitrag leisten, jedoch sind die Zeiten, in denen ein ganzer Kabarett-Fernsehabend ausschließlich einem Bauprojekt vorbehalten waren, längst vorbei.

Hätte letzte Nacht der RBB seine Hommage auf Hildebrandt (ich hoffe, es kommt noch eine zu früherer Stunde) nicht mit dem „Scheibenwischer“ über den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals eröffnet, wäre mir das überhaupt nicht mehr bewusst (ich bilde mir ein, immer geguckt zu haben). Akribisch er sich mit einem Thema, dessen Lachpotential gegen Null tendiert, auseinandergesetzt hat. Dass er sich überhaupt daran gewagt hat, ist aus heutiger Sicht ein Wunder. Ich weiß nun wieder, dass Schecks, die die Bauherren sich selbst schickten, erst den Bau des RMDKs ermöglichten. Wird je eine Sitzung des Aufsichtsrats des BERs im Kabarett aufgeführt werden? Ich kann es mir nicht vorstellen. Das basisdemokratische Kabarett Hildebrandts ist längst passe. Das erfordert zu viel Zeit. Und es ist auch höchst ineffizient, immer nur für einen Abend zu schreiben (es sei denn, man geht damit auf Tour). Wie es so häufig im Leben ist – was Spaß macht, bringt nichts. Ein Hoch auf das Modul-Kabarett.

PS: Warum muss ich bei Gurlitt immer an den Film „Der alte Mann und das Meer“ denken? Es muss an den grauen Haaren beider (Spencer Tracy) liegen. Glücklich kann er mit den Bildern nicht mehr werden. Vermutlich weiß er das noch gar nicht.

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