Der Karneval schreckt vor nichts zurück

Wer gestern die Sitzung des Aachener Karnevalsvereins sah, könnte zur Erkenntnis gekommen sein, dass Adel nicht gleich Adel ist, denn trotz Kaiserwetters – da Aachen mal preußisch gewesen ist, zählt einzig und allein, wie es in Berlin, wo wie überall im Osten den ganzen Tag die Sonne schien, mit dem Wetter bestellt ist – zog jener von Guttenberg, mit dem die Familie Staat macht, es vor, die Laudatio auf den nächsten Preisträger nicht zu halten. Einem Hohenzollern wäre das nicht passiert, denn dank seines weit nach Osten reichenden Landes hätte er gewusst, wann die sibirische Kälte, die fast immer Sonnenschein mitbringt, zuschlagen wird. Und wenn einmal azurblau angesagt ist, gehört es zur seiner Pflicht, sich in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Selbst eine Revolution könnte einen guten Hohenzollern davon nicht abbringen, in Galauniform zu paradieren. Die von Guttenbergs haben natürlich nicht dieses Wissen. Sie sind auf den hiesigen Wetterdienst angewiesen. Und der sagte, als Karl-Theodor absagte, graues und trübes Wetter voraus. Sein Bruder, der ihn vertrat, hat sich, soweit ich das mitbekommen habe (L.A. Confidential war halt attraktiver), recht wacker geschlagen. Lesern, die meinen, die Rede muss von jemanden anders sein, kann ich nur entgegnen, dass ich weiß, wer sie nicht geschrieben hat – weder Dieter Hildebrandt noch Georg Schramm waren involviert. Die zwei wären nie auf Idee gekommen, ausgerechnet über jene beiden, die in der Kette der Wulff Kritiker das schwächste Glied bilden, nämlich Schausten und Deppendorf, am meisten zu lästern. Dabei hatten sie nicht einmal eine Wahl – sie mussten dem Bundespräsidenten unangenehme Fragen stellen. Ottfried Fischer, der den Orden „Wider den tierischen Ernst“ bekam, ließ sich trotz diverser Frotzeleien über seinen Leibesumfang die gute Laune nicht verderben. Recht hat er, denn er gehört für mich zu den Ordensträgern, von denen ich wirklich weiß, dass sie Humor haben. Das sind nicht viele. Hätte Kretschmann, der angeblich zweite Wahl war (nach Steinbrück), den Orden erhalten, wäre für mich interessant gewesen, wie die Karnevalisten ihre Entscheidung begründet hätten. Im Karneval nimmt man es aber eh nicht so genau. Und so haben wohl die Vertreter eines Vereins aus München, als sie die neue Saison besprachen, gleich nach 7 Probe „helau“ Rufen entschieden, den Klitschkos den Karl-Valentin-Preis zu verleihen. Armer Karl Valentin – ausgerechnet die beiden Kampfmaschinen (der Blog berichtete), die bisher weder vor noch nach einem Kampf eine Showeinlage gezeigt haben sowie im Gefecht jede Bewegung, die Kraft kostet, vermeiden (beide werden nie tänzeln oder mit den Fäusten spielen) erhalten nun einen Preis, der vermuten lässt, dessen Träger müssten etwas mit dem bedeutendsten Münchener des 20. Jahrhunderts gemeinsam haben. Da die Anforderungen nicht sehr hoch sind, reichen schon kleine Absonderlichkeiten. Es braucht sich also niemand wie Valentin zu gebärden. Anarchist muss man auch nicht sein, um den Preis zu bekommen. Man muss nur irgendwann mit etwas Humoristischem und Witzigem aufgefallen sein. Und das hätten die Klitschkos angeblich geschafft, zwar nicht im Ring, aber in ihren Werbespots hätten sie ihr komödiantisches Talent unter Beweis gestellt. Pech für alle jene, die bei der Werbung immer das Wohnzimmer verlassen oder umschalten. Sie müssen wirklich etwas verpasst haben. Ich bleibe jedenfalls jetzt immer dran, wenn Werbung läuft. Auch weil ich jetzt weiß, dass die „Schnittenwerbung“ höchst originell sein soll. Valentin war ja berühmt für Szenarien, die so absurd waren, dass nur er darauf kommen konnte. Aber er konnte wirklich nicht damit rechnen, dass einmal Leute wie die Klitschkos mit ihm in Verbindung gebracht werden würden. Der Karneval macht eben vor niemanden halt. Selbst die Toten müssen dran glauben.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert