Dennoch nicht das Jahr der superlangen Limousinen

Ist 2012 das Jahr, über das in 10 Jahren in diversen Nachschlagewerken steht, es sei das Jahr der Stretch-Limousinen im Film gewesen? Leider wohl nicht, und daran sind die Filmkritiker und Kinogänger gleichermaßen schuld. Erstgenannte haben „Cosmopolis“ (der Blog berichtete) verrissen, während letztere es wagten, den Kritikern, die „Holy Motor“ als großes Kunstwerk anpriesen, ein Schnippchen zu schlagen – sie ignorierten den Film einfach. Auch die Vorstellung, in die ich ging, war mäßig besucht, und zu meiner Überraschung waren unter den 15 Leuten gerade mal 2 Frauen. Wissen sie nicht, dass das ein Frauenfilm ist? Frauen wird ja nachgesagt, sie könnten besser als Männern schauspielern. Warum sich dann nur zwei einen Film, in dem der Protagonist sich nur gefühlte fünf Minuten Pause gönnt, um dann wieder in eine neue Rollen zu schlüpfen, anschauen, ist für mich schwer zu verstehen. Gut, eine üble Gewalt- bzw. Blutszene ist dabei. Da muss man halt weggucken. Man kann die Augen auch mit der Hand zuhalten, was ich bei derartigen Szenen immer zu tun pflege.

!Spoiler – die wenigen, die den Film sehen möchten, sollen in den ersten Minuten noch glauben, „Monsieur Oscars“ würde sich einen Jux machen, denn am Anfang versucht der Regisseur Leos Carax den Eindruck zu erwecken, einen Banker vor sich zu haben. Ich, der nur wusste, dass der Hauptdarsteller verschiedene Charaktere verkörpern würde, habe das jedenfalls angenommen. Ein wirklich cleverer Schachzug Carax‘, den Zuschauer in die falsche Richtung zu führen. Nichts deutet zunächst darauf hin, dass in den Mappen, die „Monsieur Oscar“ meistens erst zur Hand nimmt, wenn seine charmante Chauffeurin ihn dazu auffordert, alle Informationen über die Szenen, die er spielen soll, zu finden sind. Und kommt die Regie noch auf die Idee, eine der edlen Faltmappen verstauben zu lassen – ein Auftrag, der jahrelang übersehen wurde. Jene, die sich vorstellen können, dass der Auftraggeber alle Parts, die er spielen soll, live sehen kann, müsste Film toll finden. Wem das zu abstrakt ist, der kann sich damit trösten, dass alle das gleiche sehen. Oder er stellt sich vor, dass nur für ihn Handlungen inszeniert worden sind. Oder er nimmt an, Schauspieler brauchen keine Regie und Proben, denn „Monsieur Oscar“ gelingt jeder Part gleich beim ersten Dreh, der Film darum jene, die nicht zu sehen sind, ein wenig auf die Schippe nimmt (er ist so gut, dass er nicht einmal das Material, was sich in den Mappen befindet, zu studieren braucht). Spoiler!

Die Idee, „Monsieur Oscar“ in eine lange Limousine, in der er durch Paris rollt, zu setzen, finde ich grandios – eine Umkleidekabine auf Rädern. Vermutlich hätten sich Gustav Gründgens und Laurence Oliver (beliebig fortsetzbar) riesig darüber gefreut, wenn schon zu ihren Lebzeiten ein Regisseur diese Idee gehabt hätte. Sie hätten sich richtig austoben können (in „Adel verpflichtet“ war es Alec Guinness vergönnt, 8 Personen zu spielen). Ich hoffe, Carax kann sich dazu entschließen, „Madame Binoche“ oder „Madame Theron“ durch Paris brausen zu lassen.

Mein Gott, ich habe den Piccoli nicht erkannt. Schlimm.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert