„Dem Kind fehlt die Mutter“

Ich schäme mich, denn ich gehöre auch zu denen, die dem Münsteraner Tatort-Duo, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die konservative Seite des deutsches Humors (Stichwort: nicht mit, sondern über andere lachen*), zu pflegen, am Sonntag bei der Arbeit zugeschaut haben. Und das entgegen der Ratschläge der Kritiker, die davor warnten, sich den Film anzuschauen. Dass sich mehr als 13 Millionen nicht daran hielten, sollte sie nicht entmutigen, weiterhin entschlossen für ein gutes Programm zu kämpfen – hätte Reich-Ranicki eine Vorabkritik schreiben müssen, wäre die Zahl der Zuschauer um die Hälfte höher gewesen. Am besten traf es die FAZ, deren Autor einen Humor, der nur noch im Puppentheater anzutreffen ist (wenn das Krokodil kommt, darf gelacht werden), ausgemacht zu haben glaubt. Zu meiner Verwunderung hat sich kein Kritiker an einem Aspekt, der meiner Oma sofort aufgefallen wäre, gestört – die hätte sofort bemerkt, dass dem Kind, das den Fall ins Rollen bringt, die Mutter fehlt (wenn ich von Männern höre, die ihre Kinder alleine erziehen, muss ich immer an den Sketch „In der Apotheke“, ab 6:05 min, denken). Ein Typ wie Karl Valentin könnte sie noch ersetzen. Leider lassen die Jugendämter diesen Männertyp als alleinerziehenden Vater nicht mehr zu. Das Kind müsste ins Heim.

Lange Rede, kurzer Sinn – glauben Sie, dass ein zehnjähriges Mädchen eine alleinerziehende Mutter dazu gebracht hätte, mit ihr ins Morddezernat zu gehen, um den Beamten zu sagen, sie habe gesehen, wie jemand im Botanischen Garten mit einer Spritze getötet wurde? Die Frauen, die nach dem Krieg die Kinder ohne Männer großziehen mussten, wären nie und nimmer zur Polizei gegangen. Die hätten das gleich als großen Unfug oder Scherz abgestempelt. Nur die Glück hatten wurden nicht mit einer Ohrfeige. Meine Generation hätte es auch schwer gehabt, die Eltern aufs Amt zu bringen. Eine alleinstehende Mutter hätte sicherlich auch nicht nachgegeben. Auf alle Fälle hätte die Thiel gezeigt, wer hier das sagen hat. In Münster hat das Kind ihren Vater voll im Griff. Unwillkürlich habe in an den Cesar Millan denken müssen. Wäre der Mann mit einem dominierenden Hund hereingekommen, hätte der „Hundeflüsterer“ (Energie ist sein Schlagwort – fast jedes Fehlverhalten führt er auf Energie, von der die Halter haben zu wenig, die Hunde jedoch zu viel haben, zurück), sofern man ihn im Deutschen Fernsehen gelassen hätte, sofort das Verhalten beider korrigiert (wenigstens mögen ihn noch die Zuschauer – die Shows und seine Fans sind ausverkauft bzw. aus dem Häuschen). So aber habe ich nicht schlecht gestaunt, welche Macht das Mädel hat. Zum Glück weiß sie, was sie will.

Das kann Obama nicht von sich sagen – der Mann, der angetreten war, seine GIs aus Kriegsschauplätzen herauszuholen, hat heute sein Land wieder in einen Krieg geführt, und das gleich gegen zwei Gegner. Genauer gesagt sind es anderthalb. Zum einen kämpfen seine Soldaten gegen das Kalifat, das die ISIS ausgerufen hat, zum anderen befindet er sich mit Assad, der trotz anderslautender Meldungen nicht gebeten hat, gegen eine Gruppierung, die radikaler und unmenschlicher nicht sein kann, mit Cruise Missiles und Luft-Boden-Raketen vorzugehen, im Krieg. Viel Feind, viel Ehr! Das Problem ist nur, dass überall, wo die Amerikaner militärisch eingegriffen haben, die Situation für die Menschen verschlechtert hat. Angesichts der Gräueltaten, die die ISIS begangen hat, mag das diesmal als völlig ausgeschlossen gelten. Ich bin aber ziemlich skeptisch. Den Angriffen werden wieder viele Zivilisten zum Opfer fallen (erste Tote gibt es schon zu beklagen). Das wird neuen Hass schüren. Vermutlich haben die radikalen Kämpfer ihre Lager schon längst in Städte und Dörfer verlegt. Organisationen wie die ISIS zerschlägt man nicht aus der Luft, sondern am Boden. Obwohl wegen des Terrains der Gebiete, die die Radikalen kontrollieren, sowie der Nähe zur Türkei es Bodentruppen wesentlich leichter als in Afghanistan hätten, will Obama bzw. die Koalition, die er für den Einsatz zusammenbekommen hat, keine schicken. Das verheißt nichts Gutes.

Und wenn die Israelis ausgerechnet am Tag, an dem Obama zurückschlagen lässt, eine syrische MIG-21, die zufälligerweise israelisches Hoheitsgebiet gestreift hat (was nach Völkerrecht keines ist), abschießen, frage ich mich, wie Syrien aussehen wird, wenn die USA ihren Einsatz beendet haben werden. Oder ist der Abschuss etwa als Warnung an Assad, keine Flugzeuge der Koalition der Willigen anzugreifen, zu verstehen? Immerhin gehören dieser u. a. auch die Saudis, die Assad unbedingt loswerden wollen, an. Chaos ist vorprogrammiert. Wenigstens wissen die USA nun, dass man mit den „Raptors“ Ziele angreifen kann. Es ist immer gut, wenn der Gegner es erlaubt, neue Systems zu testen.

* Wer als erster schreibt, aus welcher Serie der Satz stammt, hat die Chance, dass seine Antwort veröffentlicht wird.

PS: Wer die Anstalt verpasst hat, sollte sich die Sendung unbedingt im Netz ansehen. Und Merkel hat in New York DiCaprio verpasst. Wie gut, dass es den Guardian gibt

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