Heute hatte ich meinen George-W.-Bush-Moment, an dem das einzig Gute ist, dass ihn niemand außer mir kennt, was im Augenblick, als das Malheur passierte, mir nicht viel nutzte, da ich unweigerlich dachte, die meisten Insassen des gut gefüllten Busses müssen mich für George W. Bush halten – und das alles nur, weil ich es nicht lassen konnte, vor einem muslimischen Jungen von höchstens zwei Jahren Grimassen zu schneiden. Die beiden Männer, die ihn und seinen jüngeren Bruder begleiteten, hatten anschließend alle Hände zu tun, ihn wieder zu beruhigen. Dabei wollte ich ihn nur ein wenig aufheitern (wäre ich ein Hund, hätte mein Besitzer gesagt, er wolle nur spielen), was mir bisher auch bei den wenigen Malen, in denen ich mein Gesicht ausgiebig zerknautschen durfte, recht gut gelungen ist. Da viele Kinder den Eindruck vermitteln, sie würden sich in ihrem Kinderwagen langweilen, ist die Versuchung groß, im Vorbeigehen die Zungen herauszustrecken oder das Gesicht kurz zu verziehen. Meistens kann ich der Verlockung widerstehen, jedoch kommt es schon einmal vor, dass ich nicht an mich halten kann. Wie eben heute, als ich wieder zuschlagen musste. Mit verheerenden Folgen, die aufgrund des Umstands, dass der Fahrer an der Haltestelle wartete, um seinen Fahrplan einzuhalten, von keinem überhört werden konnten. Angesichts meiner bisherigen Erfolge war ich zuerst geneigt, die Schuld beim Jungen bzw. dessen Kultur zu suchen. Da die muslimischen Männer immer recht streng gucken und deren Mimik immer die selbe ist, scheint es in der islamischen Welt nicht üblich zu sein, auf diese Art und Weise die Gunst der Kinder zu gewinnen. Vermutlich ist ihnen das zu albern. Oder sie sehen keinen Sinn darin, das Gesicht vor ihren Kindern zu verziehen. Vielleicht glauben sie, es könnte ihre Autorität gefährden. Gerne würde ich weiter darüber spekulieren. Da jedoch so viele Gerüchte über unsere bald neuen Mitbürger im Umlauf sind, höre ich aus Angst, dass dieses auch die Runden mache könnte, lieber mit dem Mutmaßen auf. Sonst werden die Leute im Westen noch neidisch, denn im Erfinden tut sich der Osten besonders hervor. Einige sind recht originell. So wird unserem Oberbürgermeister nachgesagt, er habe, als Flüchtlinge ihre vollen Körbe an den Kassen vorbeischoben, ohne für die Ware zu zahlen, den Kassiererinnen mitgeteilt, die Stadt würde die Kosten übernehmen. In Hoyerswerda legte jemand den Flüchtlingen den Satz „Mama Merkel zahlt“ in den Mund. Das finde ich noch witziger. Und was ist mit Selbstkritik? Ich glaube, ich war heute zu sehr „Mr. Bean“. Mit meinem Übereifer habe ich alles kaputt gemacht. So wie der berühmte Brite. Wem nicht klar sein sollte, wieso ich Bush angeführt habe – der Mann hat, als er 2006 in Stralsund war, ein Baby zum Heulen gebracht. Und das ohne Grimassen.
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