Bahn frei, Kartoffelbrei – verpokert sich Putin?

Zurück in die Zukunft, was für Boris Becker, der sich, als er vor oder nach der Wiedervereinigung, so genau weiß ich das nicht mehr, den Osten besuchte, darüber wunderte, dass es kaum Ampeln gebe, hieße, in Halle habe sich nichts verändert – käme er jetzt, würde er in seinem Mercedes (ich denke, er ist der Marke noch treu) an einigen wichtigen Kreuzungen vergeblich auf ein Lichtzeichen warten. Nein, das sind keine potemkinschen Lichtsignalanlagen. Vor wenigen Tagen haben sie noch funktioniert. Warum sie den Geist aufgegeben haben, kann niemand so genau sagen. Sicher ist nur, dass sie, zum Bedauern aller, die Straßenbahn fahren, wieder in Betrieb werden gehen. Was zwei Minuten, in denen die Bahn sich nicht vom Fleck rühren darf, alles ausmachen können. Seitdem es ohne Unterbrechung weitergeht, habe ich den Eindruck, die Tram ist doppelt so schnell wie sonst unterwegs. Autos werden einfach abgehängt. Dabei braucht sie sich nicht einmal groß anzustrengen (nur Radkuriere können ihr noch folgen). Vermutlich kommen die Autofahrer auch besser voran. Jedoch ist es nicht mehr so bequem wie noch vor drei oder vier Tagen. Mehr Konzentration und Aufmerksamkeit sind nun gefragt. Wer nimmt schon das Auto, wenn die Bahn immer und überall die Vorfahrt hat und das Lenken stressig wird? In erster Linie Desperados – Leute, die Vergnügen darin haben, wenn es um sie herum chaotisch zugeht. Für die wäre ein Berufsverkehr, den keine Ampel behindern würde, ein großes Vergnügen. Leider sind das nur die wenigsten. Darum wird bald wieder alles so sein wie früher.

Verspekuliert sich Putin? Wäre es für ihn besser nicht besser, die Ukraine Richtung Europa ziehen zu lassen? Im November, als er die Europäer ausbootete, war er noch der großer Held. Die Entscheidung Janukowitschs, statt eines Partnerschaftsvertrags mit der EU Putins Milliarden anzunehmen, wurde als Sieg Putins über die Europäer gefeiert. Nach zwei Monaten konnte sich dieser als Pyrrhussieg erweisen. Der ukrainische Präsident steht nämlich mit dem Rücken zur Wand. Ausgerechnet die „Oligarchen“ könnten ihn, so ist zu lesen, aus dem Amt jagen – für Putin, der immer so tut, als ob seine, die noch über viel mehr Geld als die ukrainischen verfügen, gehorchen würden, ein Trauma. Irgendwann könnte ihm das auch in Russland passieren. Sobald in Brüssel jemand auf die Idee kommen sollten, die Russen in die EU zu holen – tödliche Umarmung nennt man das wohl –, wäre Gefahr im Verzuge. Für ihn ist es ein Glück, dass die Europäer eine „Russenphobie“ haben. Mit denen wollen sie nichts zu tun haben. Als ukrainischer Oligarch ist es gar nicht mal so unklug, auf die Europäer zu setzen. Für Europa ist Rechtssicherheit ungemein wichtig. Daher bräuchte niemand zu fürchten, dass er in Ungnade fallen könnten (wie Chodorkowski). Dank der Kooperation mit der EU wäre es den Regierenden nicht mehr möglich, Oligarchen zu enteignen. Ihr Eigentum wäre praktisch legitimiert. Niemanden interessierte mehr, wie sie dazu gekommen sind. Etwas besseres kann ihnen gar nicht passieren.

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