Kaum zu glauben, wer Charakter der Stadt bewahren könnte

Ich freue mich heute ganz besonders, vermelden zu dürfen, dass Halle zu den wenigen Städten Deutschlands gehört (womöglich ist sie gar die einzige), die Flüchtlinge nicht nur aus humanitären, demographischen und wirtschaftlichen Gründen aufnimmt, sondern die Menschen in erster Linie wegen der Kultur willkommen heißt, wobei ich nicht jene derer, die kommen, meine (niemand soll sich unter Druck gesetzt fühlen und denken, er müsse etwas Außergewöhnliches leisten, um hier leben zu können), sondern unsere eigene – ist unsere Landesregierung der Meinung, Vertriebene in dem noch größten Hotel der Stadt unterzubringen, kann ein Stück Stadtbild bewahrt werden, das sonst angesichts der Pläne des Betreibers, das Gebäude abzureißen, unwiderruflich verloren wäre. Da (die Kolumne berichtete) jede Veränderung einen Platz weniger liebenswert macht, wären jene, die Halle vermarkten, gut beraten, in den Ländern, aus denen die Menschen fliehen, damit zu werben, dass wenn die Leute nach Halle kämen, sie in einen komfortablem Hotel, das nicht mehr dem Zeitgeist (zu enge Einzelzimmer) entspricht, was einige Leute nicht davon abhält, sich darüber zu echauffieren, wie man Flüchtlinge in einem 4 Sterne Hotel unterbringen könne, wohnen würden. Angesicht dessen, was Halle erwartet (erst einmal ein großer freier Platz in bester Lage in der Nähe des Bahnhofs) müsste jeder Bürger Geld spenden, um den Asylanten zu ermöglichen, die lange Strecke wenigstens in einem Bus zurücklegen zu können.

Warum steht das Maritim-Hotel nicht unter Denkmalschutz? Die Antwort ist denkbar einfach – es ist halt kein Stalinbau. Dabei ist nicht entscheidend, ob es einer ist, sondern es reicht völlig aus, wenn irgendwie einem jener Gebäude, die man in der „Stalinallee“ bestaunen kann, ähnelt. Das Maritim ist Platte, mit der die Planer nicht so pfleglich umgehen, wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn sie sich etwas Adäquates einfallen ließen. Wenn Halle Glück hat, bekommt es einen großen Kasten, in dem die Autos in den oberen Etagen parken (so wie in den Spielzeug-Klötzen, von denen ich glaube, der Architekt habe sie gebaut, weil er fest davon überzeugt ist, an ihnen würden sich der Kinder der Riesen erfreuen, wenn sie irgendwann mal auftauchten, gleich vor oder hinter, je nach Standort, der Blechbüchse). Um Schaden abzuwenden (Stichwort – lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach), müsste unser Oberbürgermeister den Bediensteten, die um die Firmen werben, Träume dieser Dimension verbieten. Mit dem Abriss, der selbst bei Umsetzung Gabriels Plan (kühner geht es wirklich nicht – 500.000 Menschen pro Jahr könne das Land verkraften) nicht zu verhindern ist, verliert die Stadt mal wieder ein Stückchen ihrer Identität.
Langsam habe ich meine Zweifel, ob meine Behauptung, eine schöne Stadt könne nichts entstellen, nicht doch allzu optimistisch gewesen ist. Die Stadt verliert an Charme, wird jenen in den alten Bundesländern immer ähnlicher. Manchmal ist es sinnvoller, alles so zu lassen, wie es ist. Weniger ist oft mehr.

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