Poker mal nicht aus Sicht der Spieler

War es wirklich wehrt, mehr als zwei Stunden seiner Zeit zu opfern, um am Ende festzustellen, dass die beste Poker-Szene, die dieser Sport in jüngster Vergangenheit hervorgebracht hat, jene bleibt, in der ein Junge von vier oder fünf Jahren die Hauptrolle spielt? Wer, so wie ich gestern, erwartet, nach „Molly‘s Game“ alles über die Kunst des Pokerns zu wissen, wird schwer enttäuscht sein – das ist kein Film wie „The.Cincinnati.Kid“, sondern ein Frauentagsfilm, in den Frauen ihre Ehemänner oder Lebensabschnittsgefährten unbedingt führen sollten. Da der Frauentag erst einen Tag her ist, dürfte es meinen Leserinnen leicht fallen, ihre Männer unter dem Vorwand, Poker erleben zu dürfen, in die Kinos zu locken. Mit würde es jedenfalls große Genugtuung bereiten, wenn möglichst viele Männer erfahren würden, wie eine Frau in einer Männerdomäne (die einzige Frau, von der ich weiß, dass sie professionell pokert, schreibt sogar regelmäßig für den Observer) Karriere macht, auch wenn sie in diesem Fall „nur“ die Spiele organisiert. (Frauen, die das Gefühl haben, ihre Männer könnten darunter leiden, dass sie ständig sprechen, dürfen sich sicher sein, dass diese das Kino mit der Erfahrung, dass es noch hätte schlimmer kommen können, verlassen werden. Vermutlich therapiert dieses verhinderte Poker-Drama Ehekrankheiten, von denen ich bis jetzt noch nichts gehört habe.) Natürlich geht es um viel Geld. Und natürlich wird, so wie im richtigen Leben, nicht immer koscher gepokert. In der Poker-Party, die Trump gerade mit der Welt und speziell der EU aufzuzwingen gedenkt, geht es auch recht ruppig her, doch im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung, in Donald den Schuldigen für alles Übel zu sehen, spielen Merkel und Co. falsch – es ist wohlfeil, sich über Strafzölle auf Stahl und Alu aufzuregen, wenn die Union ihre Importe im Schnitt mit 2 Prozent mehr besteuert als die USA ihre. Ob ein Poker-Fachausdruck, der Ausdruck darüber gibt, wie Merkel spielt, existiert, weiß ich nicht. Vermutlich ist es kein Poker mehr, wenn jeder die Karten kennt. Dass sie trotzdem ein Rock (ein tight passiver Spieler – spielt gute Hände, jedoch setzt er sehr niedrig bzw. scheut Risiken) ist, verdankt sie den Medien, die so tun, als wäre die EU das Vorbild für alle Befürworter des Freihandels (die Tagesschau von heute um 17:00 Uhr ist die Ausnahme, ebenso Nachdenkseiten). Dass ein Poker-Spiel auch Ergebnisse, mit denen niemand rechnen kann, hervorbringt, zeigt die Bereitschaft Trumps, sich mit Kim Jong-un zu treffen. Ich glaube, die beiden werden sich gut verstehen. Lieber mit Kim flachsen, als sich von Mutti belehren zu lassen.

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