Bitter für Luther – es gibt neue These

„Isch over“ (um es mit den Worten Schäubles zu sagen), da ab morgen nun wieder über Luther gelästert werden darf, ohne in Verdacht zu geraten, die Feierlichkeiten der Evangelen, die volle zehn Jahre damit beschäftigt waren, sich auf den 500. Jahrestag des Thesenanschlags vorzubereiten, stören zu wollen, bin ich gespannt, ob Precht bei seiner Erkenntnis, der Reformator sei ein widerlicher Geselle, geblieben ist. Immerhin ist er zu dieser Einsicht schon vor zwei Jahren, als er bei der Arbeit an seinem zweiten Band über die Philosophiegeschichte bei Luther angelangt war, gekommen. Im DLF wurde das Buch vorgestellt, jedoch Luther weggelassen. Die nächste Kritik kommt aber bestimmt. In der wird sich der Rezensent hoffentlich mit Prechts Aussage, die Gesellschaft sei viel weiter gewesen, als es der Thesenanschlag und Luthers Werks vermuten lassen, auseinandersetzen. Bei einer Bestätigung dieser Meinung kann sich die evangelische Kirche wenigstens damit trösten, dass Luther Nachahmer gefunden hat – ab heute sind 95 Thesen, die uns helfen sollen, das Internet besser zu verstehen, im Netz zu finden. These 11 besagt, dass wir von Facebook und Google denken sollen, sie würden wie ExxonMobil und Glencore arbeiten. Während die letztgenannten Bodenschätze fördern würden, zögen die beiden erstgenannten aus uns Informationen, die sie aufbereiteten, um sie an Werbende und Anzeigeersteller zu verkaufen. Ob Facebook den Russen schon Nutzerdaten, aus denen sich eine gewisse Antipathie gegenüber Clinton ableiten lässt, für deren Anzeigenkampagnen, die läppische 100.000 Dollar gekostet haben sollen, zur Verfügung gestellt hat, scheint im Augenblick niemanden zu interessieren – wichtig ist nur, dass die Russen 126 Millionen US-Facebooknutzer mit Material beglückt haben. Falls mit diesen Kampagnen wirklich die Wahl entschieden haben sollten, ist es Putin gelungen, den Verkauf Alaskas, bei dem das Land über den Tisch gezogen wurde, zu rächen. Erfahren werden wir es nicht, denn im Gegensatz zu früher, als jeder Erfolg über den Klassenfeind bejubelt wurde, haben sich die Russen entschlossen, nicht öffentlich zu triumphieren. Angesichts der Zahlen, die sie veröffentlicht haben, besteht auch kein Grund, zu glauben, sie hätten mit ihren angeblichen Fakes die Wahlen entschieden. Der Anteil ihrer Wahl-“Posts“ liegt bei Facebook bei gerade einmal 0,004%. Bei Twitter sind es 0,74%. Wenn die Ermittlungen zum Ziel hatten, Wahlmanipulationen zu Ungunsten Clintons nachzuweisen, dürften sie schon jetzt wegen des äußerst geringen Anteils der russischen „Posts“ als gescheitert gelten. Vermutlich bleiben „nur“ Anklagen wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. (Warum Janukowitsch, der wusste, dass Washington den Maidan bzw. die Opposition mit dem Ziel unterstützt, ihn aus dem Amt zu hebeln, Amerikanern Geld in der Hoffnung gibt, sie könnten die Administration umstimmen, ist mir rätselhaft.) Und noch ein Ereignis lässt sich mit Luther verbinden, Puigdemonts Flucht nach Brüssel nämlich, von der ich nach der Aufbietung all meiner Phantasie sowie einer langen Zeit des Einredens glaube, sie könne jener Luthers nach Worms ähneln. Der Unterschied ist nur, dass ihn in Brüssel niemand anhören möchte. Dafür zeigen sie ihn im Fernsehen. Die Kaution, die den angeblichen Schaden, den er mit seinem Unabhängigkeitsbestrebungen angerichtet hat, denken soll, muss nicht er, sondern der spanische Staat zahlen, denn schließlich hat dieser Polizisten aus ganz Spanien nach Katalonien geschickt.

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