Der Ton, das Thema der Woche

Adieu „Sitzen machen“, denn seit Mittwoch heißt es „Stand up, please“, und wer darauf hofft, die legeren Umgangsformen, auf die Amerika sehr stolz sein kann, seien nur vorübergehend aufgehoben worden, dem sei gesagt, dass es wesentlich wahrscheinlicher ist, dass bei der nächsten Pressekonferenz ein Journalist ohne dem Bitte aufgefordert wird, sich zu erheben. Wegen Donalds rüdem Ton ist es durchaus legitim, zu fragen, ob es in der Geschichte der Menschheit je einen abrupteren Kulturwandel gegeben hat. Schließlich haben sich 60 Jahre lang Amerikas Präsidenten so wie MacNamara verhalten, der im Film „Eins, Zwei, Drei“ die Coca-Cola-Filiale in Berlin in einer Zeit, als es die Mauer noch nicht gab, leitete. Mehr oder weniger haben alle es geschafft, den Eindruck zu vermitteln, sie würden nicht sonderlich Wert darauf legen, hofiert zu werden. Eben wie der legendäre Coca-Chef, der seinen Mitarbeitern nicht abgewöhnen konnte, aufzustehen, wenn er durch ihr Großbüro Richtung Chefzimmer schritt. (Da die Deutschen im Film mit den heutigen überhaupt nichts gemein haben, liegt die Vermutung nahe, sie müssen in der Zeit, als die Mauer stand, ausgetauscht worden sein.) Dem Mann sieht man an, dass er über den Dingen steht. Davon kann Donald nur träumen, ja im Augenblick muss er darum kämpfen, dass man ihm nicht noch weitere (unvorteilhafte) Spitznamen verpasst. (Selbstverständlich hat dieser Blog sich an der Suche beteiligt – die Kolumne hat sich vor Monaten für „Locke“ entschieden.) Nach seiner Pressekonferenz würde „Mr. Kleingeist“ gut zu ihm passen. Oder „Mr. Vain“ (über den gibt es sogar schon ein Lied). Mein absoluter Hit ist aber „Herr Dörfisch“. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass er der 1. Präsident sein könnte, der den Amerikaner zeigt, dass ihr Land auch ohne Präsidenten geführt werden kann. (Für die Rolle des Monarchen scheint er mir wesentlich geeigneter zu sein.) Es kommt eben auf das Personal an. Dieser Aussage werden sicherlich die Gewandhausorchester-Abonnenten, die das Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie gesehen haben, zustimmen werden, auch wenn sie noch die Rundum-Kamera auf die Zuschauer gerichtet haben sollten. Es ist dort so beängstigend eng, dass ich gerne auf den einen oder anderen Ton, den man in Leipzig wegen der (schlechteren?) Akustik nicht hört, verzichte. Dafür sitze ich im Gewandhaus dank Masur wesentlich bequemer. Vor allem bekomme ich dort keine Platzangst. Der Saal ist nichts für Leute mit einem Schnupfen oder Husten – die Artikel über die Eröffnung lassen vermuten, dass spätestens nach dem zwei Schnäuber mich das Gefühl beschleichen werde, die Zuschauer würden nicht mehr auf das Orchester, sondern zu mir gucken. Auf diese Aufmerksamkeit kann ich gern verzichten. Dagegen ist das Gewandhaus eine Intimsphäre. Viel Geld für schlechten Komfort. Und damit sich das Geschäft einigermaßen rentiert, muss der Saal so viele Stühle wie möglich aufnehmen. Optisch ist der Saal auch keine Offenbarung. Die Lichter sind zu grell, die Farbe ist kalt. Da hat Leipzig noch einmal Glück gehabt.

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